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Hose runter, Indexierung, Google Search!

Foto: Reuters

Machen Sie sich auf eine öde Lektüre gefasst. Schätzungsweise 65 bis 70 Prozent aller Kolumnen weltweit (und leider auch diese) leben von der Beschäftigung mit Internet-Exzessen aller Art.

Ein immergrüner Ideenspender ist natürlich der nigerianische "Rechtsanwalt" oder "Vermögensverwalter" , der sich eher die Hand abhacken lassen würde als die Suche nach dem einen Spitzen-Naivling unter fünf Millionen aufzugeben, der ihm tatsächlich 3000 Euro nach Lagos überweist. Weiteres Top-Thema: Ist die Ironisierung des Umstandes, dass Facebook-"Freunde" in Wahrheit keine Freunde sind, sondern allenfalls irgendwelche Figuren an der äußersten Peripherie des Bekanntenkreises, die das "Social Network" dafür nutzen, uns ihre jeweils letzten Konzerte/Moderationen/Buchpublikationen usw. reinzupressen.

Daher also die Internet-Kolumnen. Denn der Leidensdruck ist groß. Kürzlich verließ ich meinen Arbeitsplatz für eine halbe Stunde. Als ich zurückkam, bleckten mir 27 funkelnagelneue E-Mails entgegen. Nicht ein Dutzend, nicht zwei Dutzend, nein, exakt 27 in 30 Minuten. Hämisch erteilen sie mir Arbeitsaufträge, die kleinen Miststücke: Lies mich! Lösch mich! Leck mich! Verwalte mich! Bearbeite mich! Beantworte mich!

Ginge jemand täglich fünfzigmal physisch zum Postkasten, um nach der Post zu sehen, man würde ihn stante pede zwangspsychiatrieren. Fünfzigmal pro Tag ins Outlook zu glotzen, ist Büro-Normalfall. Die E-Mail spielt im 21. Jahrhundert diesselbe Rolle wie die Pest im Mittelalter. Spätestens dann, wenn wir vor lauter E-Mail-Beantworten nicht mehr zum Kopulieren kommen, sieht's mit dem Fortbestand der Gattung finster aus.

Aber damit nicht genug. Im Jahr 2012 wird die Firma Google den letzten Kanaldeckel zwischen Scheibbs und Nebraska abgelichtet haben und nach neuen Taten dürsten. Ich vermute, das Street-View-Nachfolgeprojekt heißt "Google Gesäß" . Weltweit werden junge Menschen an den Türen läuten und freundlich fragen: "Darf ich bitte Ihren Popo fotografieren? Wir sind von Google und arbeiten an der größten Gesäßdatenbank der Welt."

Wir aber werden, aus schierer digitaler Ermüdung und von abertausenden E-Mails weichgeklopft, dem Google-Typen nicht die Tür mit einem Fluch vor der Nase zuknallen, sondern brav die Hosen herunter- und uns fachgerecht verarschen lassen. (Christoph Winder, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 15./16.05.2010)