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Zur Person
Gesine Lötzsch (48) war in der DDR SED-Mitglied. Von 1991 bis 2002 war sie für die PDS in der Berliner Kommunalpolitik tätig. Seit 2005 ist sie Vize-Fraktionschefin im Bundestag.

Foto: APA/EPA/Schindler

Gesine Lötzsch führt künftig die deutsche Linkspartei. Welche Hoffnung sie in die SPD setzt und warum sie der Porsche ihres Kollegen Klaus Ernst nicht stört, erklärt sie Birgit Baumann.

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STANDARD: Am Samstag verabschiedet sich Oskar Lafontaine als Vorsitzender der Linkspartei. Sie und Klaus Ernst übernehmen die Führung. Haben Sie Sorge, dass Lafontaines Schuhe zu groß sind?

Lötzsch: Wenn ein Parteichef aus nachvollziehbaren Gründen nicht mehr kandidieren kann, kann man nicht sagen: Tja, dann ist die Partei am Ende. Wir werden eng mit Lafontaine zusammenarbeiten. Jeder hat einen anderen Stil.

STANDARD: Wie ist Ihr Stil?

Lötzsch: Zu Lafontaine haben viele fast schon ehrfürchtig aufgeblickt, weil er viel Erfahrung hat und in vielen Funktionen tätig war. Viele haben sich gar nicht getraut, ihn anzusprechen. Das wird bei mir anders sein.

STANDARD: Sie übernehmen eine zerrissene Partei, in der sich Mitglieder aus Ost und West oft verständnislos gegenüberstehen.

Lötzsch: Um die innere Einheit der Linken ist es 20 Jahre nach der Wiedervereinigung besser bestellt als um die innere Einheit Deutschlands. Doch es gibt auch in unserer Partei unterschiedliche Kulturen und Erfahrungen. Außerdem ist sie erst zweieinhalb Jahre alt, da muss man verschiedene Strömungen noch zusammenbringen.

STANDARD: Aber in keiner anderen Partei sind die Wahlergebnisse in Ost und West so unterschiedlich.

Lötzsch: Die PDS (Partei des demokratischen Sozialismus, Vorläuferin der Linken im Osten) konnte diese Akzeptanz im Westen nicht erreichen. Aber das ändert sich ja jetzt. Wir haben gerade den Einzug in den Landtag von Nordrhein-Westfalen geschafft und sind jetzt in 13 von 16 Landtagen.

STANDARD: Pragmatiker verstehen nicht, warum im Entwurf des Parteiprogramms Eigentum so verdammt wird und wehren sich gegen "Kapitalismus-Bashing" .

Lötzsch: Es geht nicht darum, Eigentum zu verdammen, sondern wir wollen Demokratie wieder zurückgewinnen. Wenn das letzte Krankenhaus, das letzte Müllauto und die letzte Wohnung privatisiert sind, dann können die Bürgerinnen und Bürger kaum noch etwas entscheiden. Deshalb wollen wir besonders in den Kommunen privatisierte Unternehmen wieder rekommunalisieren.

STANDARD: Raus aus Afghanistan, das war Lafontaines Bedingung für eine Zusammenarbeit mit der SPD. Gilt das auch für Sie?

Lötzsch: Vor zwei Jahren war es noch undenkbar, dass die Regierung selbst den Afghanistan-Einsatz anzweifelt. Jetzt überlegt sie, wann man rausgehen könnte. Der Unmut in der Bevölkerung wird immer größer. Unsere Forderungen sind nicht weltfremd, sondern entsprechen den Wünschen der Mehrheit der Bevölkerung.

STANDARD: Will die Linke dauerhaft in Opposition bleiben?

Lötzsch: Nein. Wir sind in Berlin und in Brandenburg in der Regierung. Wir streben weitere Regierungsbeteiligungen an, etwa jetzt in Nordrhein-Westfalen. Wenn Rot-Grün allein regiert, kommt so etwas heraus wie die Agenda 2010 (weniger Sozialleistungen, Anm.). Da ist es gut, wenn SPD und Grüne einen Bewährungshelfer an ihrer Seite haben, und der sind wir.

STANDARD: Lafontaines Verhältnis zur SPD ist schlecht. Wie ist Ihres?

Lötzsch: Die SPD ist nicht mein Feind. Die SPD ist sogar die Partei, mit der wir die größte Schnittmenge haben. Mein Wunsch wäre, dass sie zu sozialdemokratischer Politik zurückkehrt.

STANDARD: Ihr künftiger Ko-Vorsitzender Klaus Ernst fährt Porsche. Schreckt das linke Wähler ab?

Lötzsch: Sie haben ein falsches Bild von unseren Wählern. Die haben kein Problem mit einem alten Porsche, sondern ein Problem mit einer Gesellschaft, die in den letzten 20 Jahren unsozialer und ungerechter geworden ist. (DER STANDARD, Printausgabe, 15.5.2010)