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US-General Stanley McChrystal (Mitte li.) und ein britischer Soldat posieren in Afghanistan. Dort kämpfen Briten und die USA Seite an Seite, der Schulterschluss ist jedoch längst nicht mehr so eng.

Foto: APA/EPA/Hossaini

Dieses Bekenntnis zur "special relationship" ist ein nostalgisches Ritual - für Washington sind andere Partner längst wichtiger.

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Dass William Hague, kaum im Amt als neuer britischer Außenminister, sofort nach Washington düst, liegt an den Ritualen der "special relationship". Wenigstens protokollarisch wollen Amerikaner und Briten sie pflegen, die alte Sonderbeziehung, die in verbalen Pflichtübungen brav beschworen wird und von der alle Beteiligten wissen, dass sie nur noch nostalgische Verklärung ist.

Es war Winston Churchill, der den Begriff prägte, um im Zweiten Weltkrieg die Allianz mit Franklin D. Roosevelt zu zementieren. Als kurz darauf das Empire zerbrach, sollte das spezielle Verhältnis über den Verlust des Weltreichs hinwegtrösten. Groß war Großbritannien schon lange nicht mehr, aber als engster Verbündeter der Supermacht Amerika wollte es in einer höheren Klasse boxen, als es das eigene Gewicht noch zuließ.

So verstand sich Margaret Thatcher als rechte Hand Ronald Reagans, als eine Art eiserne Oberlehrerin, die stolz darauf war, dass sie dem ideologisch verwandten Konservativen das Rückgrat stärkte, wenn er zu wackeln begann. Tony Blair wurde von George W. Bush als Vasall des Irakkrieges gebraucht, was ihm den Vorwurf eintrug, Bushs Pudel zu sein.

"Den Riesen lenken"

Man müsse dicht am Ohr des amerikanischen Riesen sein, anders könne man ihm nichts einflüstern, ihn nicht lenken, begründete Blair den Schulterschluss. In Washington ruft derartige Selbsttäuschung nur ein müdes Lächeln hervor, erst recht im Weißen Haus Barack Obamas.

Der Sohn einer Mutter aus Kansas und eines Vaters aus Kenia ist der erste US-Präsident der Nachkriegszeit, der sich nicht mehr per se als Transatlantiker begreift. Ihm fehlen die emotionalen Bindungen, wie sie der Oxford-Studiosus Bill Clinton hatte oder auch George Bush der Ältere, ein Weltkriegsveteran. Sein Großvater Hussein Onyango Obama, ein Koch im Dienste des britischen Militärs, war von Soldaten der Kolonialarmee gefoltert worden, als er sich für die Unabhängigkeit seiner kenianischen Heimat einsetzte. Jeden Morgen und Abend sollte er ausgepeitscht werden, solange, bis er ein Geständnis ablegte.

Ob und wie weit das finstere Kapitel den Blick des Enkels auf das Vereinigte Königreich prägt, können Außenstehende nicht wissen. Obama äußert sich, wenn überhaupt, nur sehr knapp dazu.

Blick über den Pazifik

Wichtiger ist jedoch die objektive Interessenlage. Die Nummer 44 im Oval Office schaut zuerst über den Pazifik, nicht über den Atlantik. Höchste Priorität hat China. Wo Obama weltpolitisch etwas bewegen will, etwa bei seinem Kernthema nukleare Abrüstung, können die Briten nur wenig beisteuern. Mit Rekorddefiziten belastet, spielen sie wirtschaftlich nur noch eine Randrolle. In Europa sind andere Partner wichtiger: Angela Merkel, Nicolas Sarkozy.

Fred Kempe, Chef des Atlantic Council, formuliert es höflich, wenn er den Zusammenhang zwischen leeren Kassen und schwindendem Einfluss beschreibt. "Großbritanniens außenpolitische Fähigkeiten hängen ab von der Fähigkeit, die Schulden in den Griff zu kriegen." Der Pragmatiker Obama, glauben Insider allerdings, dürfte mit David Cameron besser auskommen als mit dessen Vorgänger. Von Gordon Brown fühlte er sich hinters Licht geführt, als die Briten den mutmaßlichen Lockerbie-Attentäter Abdel Basset al-Megrahi freiließen, obwohl sie den USA garantiert hatten, dass der Libyer hinter Gittern bleiben würde. (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 15.5.2010)