"Das ist ein sehr problematischer Vorschlag, das wird in der Slowakei einige Konsequenzen haben", erklärte Grigori Meseznikov, der Präsident des unabhängigen Instituts für Öffentliche Angelegenheiten in Bratislava. Die geplante Novelle des ungarischen Staatsbürgerschaftsrechtes - jeder, der sich als Ungar fühlt und Ungarisch spricht, soll nach dem Willen der neuen Regierungspartei Fidesz auch die ungarische Staatsbürgerschaft beantragen können - werde vor allem den nationalen Parteien in der Slowakei im Wahlkampf Auftrieb geben.
Am 12. Juni kämpft Premierminister Robert Fico mit seiner populistischen Smer-Partei um seine Wiederwahl. Er werde, wie sämtliche nationalistischen Bewegungen in der Slowakei, diese Steilvorlage aus Budapest nützen, meint Meseznikov. "Fico ist bereits mit aggressiver Rhetorik gegen Budapest und gegen die ungarische Minderheit aufgefallen. Das wird sicher zunehmen, die Nationalisten haben jetzt zusätzliche Argumente bekommen." Konkrete politische Folgen - über die Einbestellung des Botschafters und die Einberufung des Nationalen Sicherheitsrates hinaus - sieht der Experte dagegen nicht.
"Unglückliche Novelle"
Für die Slowakei sei diese "äußerst unglückliche" Gesetzesnovelle relevant, weil zehn Prozent der Bevölkerung des Landes (oder mehr als 500.000 Menschen) der ungarischen Minderheit angehören. Diese kommt laut Meseznikov dadurch noch mehr unter Druck, als sie es ohnehin schon sei.
Unter den Politikern, die die ungarische Minderheit vertreten, sorgte das im Vorjahr verabschiedete Sprachgesetz für Aufregung, das vorschreibt, dass in der öffentlichen Kommunikation immer auch die slowakische Sprache benutzt werden soll.
Im August 2009, als der ungarische Präsident Laszlo Solyom an der Einweihung der Statue des Heiligen Stephanus, des ersten ungarischen Königs, in der südslowakischen Stadt Komarno teilnehmen wollte, wurde er von den slowakischen Behörden zur Persona non grata erklärt. Dies galt bisher als der Tiefpunkt in den bilateralen Beziehungen.
Aus Protest gegen das Sprachengesetz wird die Ungarn-Partei SMK vor der Parlamentswahl im Juni mit rein ungarischsprachigen Plakaten um Wähler werben. Dies kündigte die "Partei der Ungarischen Koalition" bei der Präsentation ihrer Wahlkampagne erst vor wenigen Tagen an. (pra/DER STANDARD, Printausgabe, 15.5.2010)