Der Einführung von Etiketten auf Lebensmittelverpackungen ging ein internationaler Skandal voran. Er brach 1906 mit der Veröffentlichung von Upton Sinclairs Roman Der Dschungel aus, der die Erfahrungen einer litauischen Einwandererfamilie schilderte, die in der US-Fleischverpackungsindustrie arbeitete. Die Reaktion der Öffentlichkeit auf die beschriebenen unhygienischen Bedingungen war so stark, dass der Kongress noch im selben Jahr ein Gesetz erließ, das eine Ausweisung der Inhaltsstoffe auf den Lebensmittelverpackungen forderte. Andere Länder zogen nach.

Häufig werden ordnungspolitische Fortschritte auf diese Weise erzielt. Wir müssen hoffen, dass die Finanzskandale ein ähnliches Ergebnis nach sich ziehen. So wie damals ist die öffentliche Empörung heute so stark, dass sie die Lobbybemühungen der Interessengruppen bezwingen könnte.

Heute brauchen wir Gesetze, die die Anbieter von Finanzprodukten dazu verpflichten, wesentliche Informationen für die Verbraucher bereitzustellen. Das ist das Thema eines neuen Buches der Squam Lake Group unter der Leitung von Kenneth French, das von 15 Professoren der Finanz- und Wirtschaftswissenschaften verfasst wurde, unter ihnen auch ich. Neben anderen Vorschlägen empfiehlt der Report Fixing the Financial System, dass Investmentprodukte und Investmentfonds standardisierte Angaben enthalten sollten, die den Nährwertangaben auf Lebensmitteln entsprechen.

Die Struktur der Kennzeichnung sollte von einem Ausschuss aus Wissenschaftern, Aufsichtsbehörden und Führungskräften der Branche entwickelt werden, mit dem Ziel, den Verbrauchern einen sachkundigen Vergleich zu ermöglichen. Die Gruppe empfiehlt, die standardisierten Angaben sollten den Verbrauchern ein verständliches Maß für das langfristige Risiko an die Hand geben. Dazu könnten z. B. Werte zählen wie die auf ein Jahr umgerechneten Schwankungen der inflationsbereinigten Zehnjahreserträge sowie die Spannweite, in der die realen Auszahlungen liegen, die eine Investition in zehn Jahren bringen könnte.

Nicht alle Investoren werden in der Lage sein, selbst diese einfachen Werte zu interpretieren. Aber ebenso wenig sind alle Lebensmittelkonsumenten in der Lage, die Mengenangaben für Nährstoffe zu interpretieren. Diese Fakten sollten angegeben werden, um denjenigen, die sie tatsächlich lesen wollen, dies zu ermöglichen, und um sie zu ermutigen, die Informationen mündlich anderen in ihrem Bekanntenkreis mitzuteilen.

Die standardisierten Angaben sollten jedoch keine Renditen aus der Vergangenheit beinhalten. Falls eine Werbung für ein Investmentprodukt die frühere Durchschnittsrendite trotzdem enthält, sollte darauf hingewiesen werden, dass diese Rendite ungewiss ist. Die Bereitstellung solcher Informationen über Finanzprodukte würde die Effizienz und Wirksamkeit unserer Finanzprodukte im Hinblick auf die Bedürfnisse der Kunden enorm steigern.

Der einzige Grund dafür, dass eine derartige Kennzeichnung noch nicht zwingend ist, ist derselbe Grund, aus dem Nährwertangaben für Lebensmittel vor langer Zeit nicht verpflichtend waren. Der öffentliche Protest im Augenblick eines Skandals hat damals eine progressive Veränderung erzwungen; wir sollten hoffen, dass dies auch jetzt geschieht. (Übersetzung: Helga Klinger-Groier.© Project Syndicate, 2007 www.project-syndicate.org. DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15./16.5.2010)