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Politiker und Wirtschaftsbosse bedienen sich bei Agenturen.

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Bettina Strobich, Chefin von "BossWriter".

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"Gestohlene Zeit ist eine Zumutung, das Publikum zu langweilen eine Todsünde." Minita von Gagern hat kein Verständnis für schlechte Reden: "Das wertvollste Gut, das wir haben, ist schließlich Zeit." Und wer die stiehlt, so von Gagern, gehöre eigentlich bestraft. Statt Bestrafungen ortet sie in Deutschland und Österreich eine "Tendenz zum Applaudieren", wie sie im Gespräch mit derStandard.at kritisiert. Minita von Gagern ist Präsidentin des Verbands der Redenschreiber deutscher Sprache. Einer Organisation, die die Interessen von "Ghostwriter" im deutschsprachigen Raum vertritt.

Redenschreiber gibt es seit vielen Jahrhunderten. Ein Beruf, der im Hintergrund von Politik und Wirtschaft angesiedelt ist und selten vor den Vorhang geholt wird. Die Lorbeeren ernten andere, Diskretion ist integraler Bestandteil der Profession. Deswegen will Bettina Strobich auch nicht sagen, wer ihre Kunden sind, aber: "Es sind Topmanager und Unternehmensleiter aus den verschiedensten Wirtschaftsbereichen." Strobich war Journalistin und langjährige Kommunikationsleiterin der Casions Austria AG. Vor gut einem Jahr hat sie die Agentur "BossWriter" gegründet - und sich als Redenschreiberin selbstständig gemacht.

Stil muss zum Redner passen

Strobich legt im Vorfeld einer Rede Wert auf persönlichen Kontakt mit den Auftraggebern: "Je besser ich den Kunden kenne, umso persönlicher kann ich die Rede gestalten", meint sie gegenüber derStandard.at. Die Kriterien seien etwa die Biografie, Wertehaltungen oder einfach die Lebensweise: "Wie sehr dieses Wissen dann inhaltlich Niederschlag findet, hängt von der jeweiligen Rede ab." Der Stil müsse zum Redner passen: "Anekdoten, lustige Geschichten und Witze sind bei einem nüchternen Menschen fehl am Platz."

Ganz wichtig, betont sie, seien auch Kenntnisse über das Publikum: "Der Redner muss auf die Wünsche und Bedürfnisse eingehen." Wann ist eine Ansprache ein Erfolg? Ganz einfach: "Wenn der Auftraggeber und das Publikum glücklich und zufrieden sind", sagt Strobich, die bei "ihren" Reden nur selten selbst vor Ort ist. "Der Kunde steht im Rampenlicht und nicht der Redenschreiber." Persönliche Befindlichkeiten und eigene Botschaften dürfen keine Rolle spielen. "Ein gähnendes Publikum, das sehnsüchtig zum Buffet schielt", ist für sie das schlimmste Szenario, mit dem man in ihrem Metier konfrontiert sein kann.

"Die Liebe zur Sprache"

Ein Metier, für das keine spezielle Ausbildung, aber ein gewisses Rüstzeug notwendig ist: "Die Liebe zur Sprache, zum Texten, zum Wortschnitzen" sind für Strobich die wichtigsten Punkte neben einem "breiten Allgemeinwissen und Neugierde". Es brauche die Bereitschaft, sich "ständig mit aktuellen wirtschaftlichen, politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Themen zu beschäftigen", meint sie.

Die Vorteile, wenn Reden nicht von firmeninternen PR- und Presseabteilungen geschrieben werden, sondern von „Externen" kommen, liegen für Strobich auf der Hand: "Der Blick von außen bringt immer neue und andere Perspektiven." Hier sieht ihre Interessensvertreterin, Minita von Gagern, eine Gefahr, die unter dem Namen "Wirtschaftskrise" firmiert: "In diesem Bereich wird am ehesten gespart. Viele lassen sich jetzt die Rede von ihrer Sekretärin schreiben." Der Wert einer Ansprache, kritisiert die Präsidentin naturgemäß, werde nicht zur Genüge erkannt: "Viele vergeben ihre Chance."

Dienstleistung wie jeder andere Beruf

Nach der Vorbildfunktion sei die Rede nämlich das einzige "Führungsinstrument", das Chefs zur Verfügung haben, behauptet von Gagern. "Gewalt ist als solches nicht anerkannt", sagt sie schmunzelnd, "man kann ja nicht einfach schießen". Von Gagern schätzt, dass es im deutschsprachigen Raum rund 30.000 Redenschreiber gibt. Die meisten würden aber nur einmal was schreiben - und dann nie wieder. Zahlen über Leute, die mit diesem Beruf ihren Lebensunterhalt bestreiten, existieren laut von Gagern nicht: "Viele versuchen es, können aber nicht davon leben." Redenschreiben selbst sei eine Dienstleistung wie jede andere. Eine Dienstleistung, die aber nur zum Teil als solche anerkannt werde, moniert sie. "Bei uns gibt es keine spezifische Ausbildung dafür."

In England etwa, erzählt sie, sei das komplett anders: "Es wird in eigenen Debattierclubs geübt. Schon 12-Jährige halten Reden." Von Gagern konstatiert eine "Dominanz des Schriftlichen". Als Erfolg wertet sie, dass es dem Redenschreiber-Verband gelungen sei, an Schulen und Unis in Deutschland solche "Debattierclubs" zu initiieren. Die Branche selbst präsentiert sich sehr heterogen. "Wir haben viele Juristen, Germanisten, Journalisten, Lehrer, aber auch Theologen", skizziert sie. Die meisten seien Akademiker: "Klarerweise in erster Linie Geisteswissenschaftler."

"Jede Rede ist eine PR-Maßnahme"

Zu einer anständigen Rede gehöre Mut; und "der fehlt fast allen Rednern", bedauert sie: "Die meisten wollen ungeschoren wieder vom Pult abtreten und hoffen, dass keine faulen Eier nach ihnen geschmissen werden." Für von Gagern ist es Aufgabe der Redenschreiber, diesen Mut auf ihre Klienten zu übertragen. "Jede Rede ist eine PR-Maßnahme für den Redner und die Sache, über die er spricht." Wenn am Ende Vertrauen oder Glaubwürdigkeit stehen, könne man von einem Erfolg sprechen, so die ehemalige Juristin. Für Redner und Schreiber. (om, derStandard.at, 18.5.2010)