Bei seinem Besuch in Kiew will Russlands Präsident Medwedew die Beteiligung von Gasprom an den ukrainischen Pipelines vorantreiben. Kiew reagiert noch zurückhaltend auf die russischen Avancen.
Moskau – Der russische Präsident Dmitri Medwedew ist auf eine schwierige Mission in die Ukraine aufgebrochen. Medwedew will seinem ukrainischen Amtskollegen Viktor Janukowitsch eine russische Beteiligung am ukrainischen Pipelinesystem schmackhaft machen. Die Ukraine will jedoch die Kontrolle über sein Leitungsnetz, über das 80 Prozent der russischen Gaslieferungen nach Europa fließen, nicht aufgeben.
Russland versucht schon seit längerem, sich am ukrainischen Pipelinenetz zu beteiligen und argumentiert, dass dadurch die Energielieferungen nach Europa sicherer würden. 2006 und 2009 hatte ein Streit zwischen der Ukraine und Russland um den Gaspreis zu Lieferunterbrechungen geführt. Im Transitland Weißrussland hat sich Russland bereits zur Hälfte bei der staatlichen Gasfirma Beltransgas eingekauft. Mit der Wahl von Janukowitsch zum Präsidenten rückt nun auch eine russische Beteiligung am ukrainischen Energiesektor in greifbare Nähe. Im April willigte Janukowitsch in die umstrittene Verlängerung des Pachtvertrages für die russische Schwarzmeerflotte auf der Krim ein. Im Gegenzug gewährt Russland seinem Nachbarn einen Gaspreis-Rabatt.
Vor zwei Wochen ließ Russlands Premierminister Wladimir Putin mit dem Vorschlag, den russischen Gaskonzern Gasprom mit der ukrainischen Gasegesellschaft Naftogas fusionieren zu wollen, aufhorchen. Der Vorschlag kam für die Ukraine völlig überraschend und sorgte für Proteste der Opposition. Ein russischer Regierungssprecher erklärte umgehend, dass es sich nicht um eine Übernahme handeln soll, sondern um die gemeinsame Gründung eines neuen Unternehmens.
Gefahr der Destabilisierung
Analysten bezweifeln, dass ein Zusammenschluss zwischen Gasprom und der schwer verschuldeten Naftogas einen wirtschaftlichen Vorteil hätte. Darüber hinaus hätte der Merger laut Chris Weafer, Chefstratege der russischen Investmentbank Uralsib, das Potenzial, die Ukraine politisch zu destabilisieren. "Die Regierung Janukowitsch befindet sich in einem Dilemma: Einerseits ist sie auf die dringend benötigten Investitionen und Beihilfen angewiesen, andererseits will sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen, die Kronjuwelen der Ukraine zu verkaufen" , sagt Weafer.
Die Ukraine, die sich mit einem IWF-Hilfskredit über Wasser hält, muss dringend in die Modernisierung ihrer Pipeline investieren. Janukowitsch bezifferte die Kosten dafür mit bis zu 600 Millionen US-Dollar. Allerdings favorisiert die Ukraine die Gründung eines Konsortiums unter ukrainischer, russischer und europäischer Beteiligung. Von der künftigen Zusammenarbeit zwischen Russland und der Ukraine in Energiefragen hängt auch die Zukunft der geplanten Pipelines South Stream und Nabucco ab. Analysten gehen davon aus, dass die milliardenschweren Projekte hinfällig werden, wenn es zu einer russischen Beteiligung am ukrainischen Leitungsnetz kommt.
Bisher ist Gasprom jedoch noch nicht von seinen Plänen, South Stream zu bauen, abgerückt, um den Druck gegenüber der Ukraine aufrechtzuerhalten. "Eine Pipeline ist nur dann wertvoll, wenn sie mit Gas gefüllt ist" , sagte Gasprom-Chef Alexej Miller in Richtung Ukraine. (Verena Diethelm aus Moskau, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.5.2010)