Chinesen sind die Einzigen, die in größeren Gruppen als Touristen, Händler oder Investoren ins hermetisch abgeschlossene Nordkorea einreisen dürfen. Ihre Berichte klingen ernüchternd. Zwar erhalten auch sie nur einen begrenzten Einblick, doch sie kommen auf die wenigen Volksmärkte und sehen dort seit der völlig misslungenen Währungsreform ein erschreckendes Abbild der realen Misswirtschaft.

Der brutale Versuch Kim Jong-ils, des letzten stalinistischen Machthabers der Welt, durch eine plötzliche Geldreform die Marktkräfte zu kontrollieren, ging nach hinten los: Er würgte sie völlig ab. Viele Händler gaben frustriert auf. Verglichen mit einer von Rationierungssystemen am Leben erhaltenen Hungernation, die seit zehn Jahren Nahrungsmittel von außen zum Überleben braucht, waren die "freien Märkte" verhältnismäßig reichhaltig. Mit der Währungsreform leerten sie sich über Nacht.

Finanzminister hingerichtet

Das System, das sich bei 24 Millionen Einwohnern ein 1,3-Millionen-Heer leistet, reagierte panisch. Kim ließ den Finanz- und Planungsminister im März erschießen, die Propaganda nannte ihn den Sohn eines ausbeuterischen Gutsbesitzers, der sich in die revolutionäre Reihen eingeschlichen habe.

Der im Innern angespannten Lage entspricht die Nervosität nach außen. Die Außenpolitiker Chinas, der USA und Südkoreas überlegen, wie sie verhindern, dass etwa die Folgen eines mutmaßlichen nordkoreanischen Torpedoangriffs auf das Patrouillienschiff Cheonan am 26. März, bei dem 46 südkoreanische Marinesoldaten starben, zu einer Eskalation in der Region führen. US-Außenministerin Hillary Clinton, die zum strategischen Dialog mit China am 24. Mai in Peking ist, fliegt danach sofort nach Südkorea. Dort sind Militärexperten aufgrund zahlreicher Indizien zum Schluss gelangt, dass Nordkoreas Kriegsmarine den Untergang der Cheonan verursacht hat. Seoul will aber, wie es heißt, erst Peking, Moskau und Tokio unterrichten, bevor es das Regime Kim Jong-il vor der UNO anklagt. Pjöngjang leugnet jede Verantwortung und hat seine Grenztruppen zu Südkorea verstärkt. Zugleich meldete Pjöngjang den angeblich geglückten Versuch einer Kernfusion.

Die Wirtschaftslage Nordkoreas wird durch solche Spannungen noch desolater. Nach der Einstellung aller seit 1998 blühenden südkoreanischen Tourismusprojekte, die zwei Millionen devisenbringende Südkoreaner den Norden besuchen ließen, und dem Einfrieren aller Investitionen gerät nun auch die von südkoreanischen Firmen betriebene Sonderwirtschaftszone Kaesong, wo 100 südkoreanische Firmen fast 50.000 nordkoreanische Arbeiter beschäftigen, unter Druck, geschlossen zu werden.

Nur China bliebe dann noch als Wirtschaftspartner. Dort aber scheint die Chemie auch nicht mehr zu stimmen. Nach neuen Online-Berichten chinesischer Zeitungen endete der jüngste Geheimbesuch von Kim Jong-il in China mit einem Missklang. Kim sei frühzeitig abgereist, weil Chinas Premier Wen Jiabao ihm weitere Wirtschaftshilfe verweigerte. Auch Peking scheint die Geduld mit seinem Verbündeten zu verlieren, der ihn mit seinen "Atomspielen", so die Global Times, vorführt. (Johnny Erling/DER STANDARD, Printausgabe, 18.5.2010)