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"Die ÖVP war oft gegen unsere Ideen - am Ende hat sie's dann selbst erfunden gehabt." Werner Faymann hofft in der Koalition aufs Copy-Paste-Prinzip.

Foto: APA/Roland Schlager

Wien - Bundeskanzler Werner Faymann stellt an den Koalitionspartner ÖVP Bedingungen in Sachen Steuerpolitik: Als "absolut unverzichtbar" für die SPÖ bezeichnet er im Interview mit Gerald John "die Bankenabgabe, das Stopfen von Steuerschlupflöchern und die Finanztransaktionssteuer". Wenn die Finanztransaktionssteuer nicht EU-weit zustande komme, solle Österreich diese im Alleingang einführen, und zwar schon im kommenden Jahr. Faymann: "Wir wollen uns nicht hinter Europa verstecken, sondern als Vorreiter zeigen, was möglich ist."

Am Dienstag, wird der Kanzler in Berlin mit Amtskollegin Angela Merkel zusammentreffen, um unter anderem - wie er sagt - für die Finanztransaktionssteuer zu "kämpfen". Die EU habe "im Gesamten aus der Krise noch nicht wirklich gelernt", so Faymann.

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STANDARD: Die ÖVP stilisiert Vizekanzler Josef Pröll zum Euro-Retter. Halten Sie Ihn auch für den Helden von Brüssel?

Faymann: Man soll die Leistung nicht unterschätzen, wenn Regierungen einander unterstützen, statt untätig einem Zusammenbruch zuzuschauen. Aber eine Heldentat ist es nicht, mit Haftungen einzuspringen, dafür gebührt einem Finanzminister kein Orden. Entscheidend ist, ob wir etwa genauso einig für die Transaktionssteuer eintreten. Derzeit hat die EU im Gesamten aus der Krise noch nicht wirklich gelernt.

STANDARD: Zieht Pröll aus Ihrer Sicht denn ernsthaft mit?

Faymann: In der ÖVP gibt es da traditionell Vorbehalte, Abgeordnete wie Schüssel und Molterer stehen nach wie vor aktiv auf der Bremse. Aber jene, die sich der christlichsozialen Lehre verpflichtet fühlen, wollen in die Finanzmärkte eingreifen, damit nicht das alte System aus Spekulation und Gier wieder aufgebaut wird. Meiner Erfahrung nach stimmt der Koalitionspartner zu, wenn die öffentliche Meinung auf unserer Seite steht. Die ÖVP war schon oft gegen unsere Ideen - am Ende hat sie's dann selbst erfunden gehabt.

STANDARD: Was ist für Sie unverzichtbar?

Faymann: Bedingung ist, dass nun jene stärker drankommen, die in der Vergangenheit zu wenig geleistet haben: Absolut unverzichtbar sind die Bankenabgabe, das Stopfen von Steuerschlupflöchern und die Finanztransaktionssteuer - wenn es sein muss, vorerst auch nur in Österreich schon für das Budget 2011, wenn sie EU-weit nicht zustande kommt. Österreich soll sich hinter Europa nicht verstecken, sondern als Vorreiter zeigen, was möglich ist. Dafür werde ich heute auch bei der deutschen Kanzlerin Angela Merkel kämpfen.

Ich will nicht den zynischen Weg höherer Massensteuern gehen und auch nicht durch Sparen mit dem Rasenmäher das Pflänzchen des Wirtschaftsaufschwungs zerstören.

STANDARD: Laut dem Wirtschaftsforscher Karl Aiginger, Gast bei der SPÖ-Klausur, tut die Regierung genau das: Sie spart pauschal und verschläft wichtige Investitionen, etwa in Bildung und Umwelt.

Faymann: Wir müssen Mittel frei bekommen, indem wir die Effizienz steigern, in der Schulverwaltung oder im Gesundheitssystem. Nur mit neuen Einnahmen wird's nicht gehen.

STANDARD: Der SPÖ fällt dazu bislang weit weniger Konkretes ein als zu neuen Steuern.

Faymann: Ich trete etwa dafür ein, die Wohnbauförderung wieder an ihren ursprünglichen Zweck zu binden. Damit ließen sich kurzfristig mehr Arbeitsplätze schaffen und ökologische Ziele erreichen als mit jedem Tunnelbau.

STANDARD: Wenn Ihnen die Umwelt wichtig ist, müssten Sie auch für höhere Ökosteuern sein.

Faymann: Mit Massensteuern bewirkt man letztlich nur eines: dass die Kaufkraft sinkt. Ich bin stattdessen dafür, in die Entwicklung von neuen Kraftstoffen und umweltfreundlicheren Autos zu investieren.

STANDARD: Dies würde erst in einer halben Ewigkeit zählbare Effekte bringen. Streuen Sie den Leuten nicht Sand in die Augen, wenn Sie suggerieren, dass niemand umweltschädliches Verhalten einschränken müsse?

Faymann: Ich bin sehr für Verhaltensänderungen, verlange aber auch eine Sozialverträglichkeitsprüfung. Die ÖVP hat noch kein Konzept vorgelegt, das diesem Anspruch genügt. Wir können von den Arbeitnehmern nicht immer mehr Flexibilität fordern, aber Pendeln unbezahlbar machen.

STANDARD: Haben Sie sich bei der SPÖ-Klausur im Burgenland subjektiv sicherer gefühlt, weil das Bundesheer an der Grenze patrouilliert?

Faymann: Die Polizei leidet unter Personalmangel, der erst in ein paar Jahren aufzuholen ist, außerdem herrscht der größte Bedarf in den Städten. Auch ich bin dafür, dass die Polizei die Grenze schützt. Doch solange sie nicht genügend Leute hat, soll das Heer aushelfen.

STANDARD: Der Einsatz bringt faktisch aber nichts außer Kosten von 22 Millionen im Jahr für eine Handvoll aufgegriffene Flüchtlinge.

Faymann: Man muss eben auch das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger respektieren. Außerdem sagt mir die Polizei, dass die Aufmerksamkeit der Präsenzdiener Strafdaten vorbeuge. Ich stelle mich jedenfalls nicht ins Burgenland und verkünde: „Liebe Leute, die Polizei ist derzeit zwar nicht in der Lage, ihre Aufgaben voll zu übernehmen, aber den Assistenzeinsatz spare ich auch ein." (Gerald John, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.5.2010)