Die Iraner haben es wieder einmal geschafft. Nicht etwa, dass der Uran-Deal schon unter Dach und Fach wäre, bei dessen Konditionen Teheran unter türkischer und brasilianischer Vermittlung am Montag einlenkte. Aber es ist so gut wie sicher, dass dieses Einlenken ausreicht, um zumindest China davon zu überzeugen, bei einer nächsten Sanktionsrunde im Uno-Sicherheitsrat nicht mitzuziehen. Was der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan laut verkündet, werden auch andere nachvollziehen: Das sei ein diplomatischer Durchbruch, es gebe keinen Grund mehr für schärfere Sanktionen gegen den Iran.
Denn Teheran hat tatsächlich zwei seiner unannehmbaren Bedingungen fallengelassen. Erstens, dass das iranische schwach angereicherte Uran (LEU) im Iran selbst gegen nuklearen Brennstoff aus dem Ausland ausgetauscht werden sollte: Uran auf der einen, Brennstäbe auf der anderen Seite. Das beinhaltet bereits das zweite "No-go" : die Gleichzeitigkeit.
Zunächst war am Montag unklar, ob auch diese Bedingung gefallen war. Aber die Lektüre der brasilianisch-türkisch-iranischen Verlautbarung klärt die Frage, wenn auch etwas verschämt: Der Iran solle seine Brennstäbe "nicht später als ein Jahr" , nachdem er 1200 kg Uran der Türkei zur Aufbewahrung übergeben hat, erhalten. Ein Jahr: Das ist ungefähr so lang, wie im ursprünglichen Plan der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) vom Herbst 2009 veranschlagt wurde.
Laut dem neuen Vorschlag - denn nicht mehr ist es - soll das iranische Uran während dieses Jahres von der Türkei unter IAEO-Aufsicht treuhändisch verwaltet werden. Das ist selbstverständlich ein substanzieller Unterschied zum Urplan, nach dem das iranische Uran physisch zuerst in Russland angereichert und danach in Frankreich zu Brennstäben weiterverarbeitet hätte werden sollen.
Das wirft nicht nur die Frage der Annehmbarkeit für die Verhandlungspartner (USA, Russland, Frankreich und IAEO) auf, sondern auch logistische Probleme: Es müsste neu geklärt werden, von wem die 120 kg Brennstoff, die der Iran erwartet, überhaupt kommen würden. Reaktorbrennstäbe liegen nicht einfach kurzfristig lieferbar herum.
Ein anderer Punkt, der viele wurmt, weil er das iranische Geschick zeigt, durch Spielen auf Zeit Gewinne zu erzielen: Als der Plan für den Deal im Oktober 2009 entstand, entsprachen 1200 kg etwa drei Vierteln der iranischen LEU-Bestände. Heute sind 1200 kg vielleicht nur mehr knapp die Hälfte. Damit bleibt dem Iran genug LEU, wie man etwa zur Herstellung von genügend waffenfähigem Material für eine Bombe braucht. Ein gewünschter Effekt des Deals würde also unerfüllt bleiben - wobei jedoch auch im vergangenen Herbst klar war, dass der Iran LEU nachproduzieren würde.
Aber dazu kommt, dass der Iran nach eigener Aussage auch bereits auf 20 Prozent anreichert. Bevor nicht der nächste IAEO-Bericht dazu herauskommt, weiß man nicht, ob und wie viel bereits produziert wurde. Aber es gehört ebenfalls in die Gleichung. Wenn der türkisch-brasilianische Entwurf einen Schönheitsfehler hat, dann den, dass Teheran darin nicht auf die höhere Anreicherung verzichtet.
Wobei auch der IAEO-Urplan Irans Anreicherungsstopp, festgeschrieben in Sicherheitsratsresolutionen, umgangen hat. Er blieb jedoch das Ziel. Im brasilianisch-türkisch-iranischen Papier steht - natürlich, möchte man sagen - dazu kein Wort. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 18.5.2010)