Riad - Nach elf Monaten in Geiselhaft sind Lydia (5) und Anne (3) wieder frei. Die beiden deutschen Mädchen aus Sachsen waren im Juni 2009 mit ihren Eltern und ihrem kleinen Bruder im Norden des Jemen verschleppt worden.

Am Dienstag erklärte der Sprecher des Innenministeriums in Riad, Mansur al-Turki, die beiden Kinder seien "in einer Rettungsaktion auf Basis von Geheimdienstinformationen" von saudi-arabischen Sicherheitskräften in Zusammenarbeit mit dem Jemen befreit worden. Es sei keine "Befreiungsaktion" gewesen. Man habe die Kinder in einem Dorf im Bezirk Schadha in der Provinz Saada entdeckt. 

Regierung überrascht von Befreiung

Die jemenitische Führung ist von der Rettung der beiden deutschen Kindergeiseln überrascht worden. Die Regierung, die in den vergangenen Wochen mehrfach öffentlich über das Schicksal der sechs Geiseln spekuliert hatte, äußerte sich bisher nicht zu den jüngsten Entwicklungen in dem Geiseldrama. Die staatsnahen Medien schwiegen auch am Mittwoch noch dazu, dass die Mädchen aus Sachsen am Montagabend nach Saudi-Arabien gebracht worden waren.

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte, die Mädchen befänden sich "in sicherer Obhut" saudi-arabischer Behörden. Sie hielten sich am Dienstag in einem Krankenhaus in Riad auf und es gehe ihnen "den schwierigen Umständen entsprechend gut" so Westerwelle. Am Mittwoch sollen sie nach Deutschland zurückkehren.

Angehörige hatten am Montag erfahren, dass die Mädchen befreit wurden. "Bei ihnen und uns allen liegen Freude und Trauer ganz dicht nebeneinander" , sagte der Schwager des entführten Familienvaters. "Von den Eltern wissen wir nichts." Über Johannes H. und seine Frau Sabine sowie deren knapp zweijährigen Sohn gibt es nach wie vor keine offiziellen Informationen. Die Bild-Zeitung berichtet unter Berufung auf Geheimdienstkreise, der Bub sei tot. Man habe seine Leiche im Jemen gefunden. Das Auswärtige Amt bestätigte diese Angaben nicht. Auch Angehörige der Familie sagten, sie gingen davon aus, dass das dritte Kind nicht mehr lebe.

Drei Geiseln tot gefunden

Die Familie war gemeinsam mit einem britischen Ingenieur, zwei deutschen Pflegehelferinnen und einer südkoreanischen Lehrerin verschleppt worden. Die beiden Helferinnen und die Südkoreanerin wurden nur wenige Tage nach ihrem Verschwinden in der Provinz Saada tot aufgefunden. Die Entführung soll zwischen schiitischen Rebellen und dem Terrornetzwerk Al-Kaida abgestimmt worden seien. Die Rebellen bestritten eine Beteiligung. Das Nachrichtenmagazin Spiegel hatte im Jänner berichtet, die Entführer hätten Lösegeld in Höhe von zwei Millionen Dollar, die Freilassung mehrerer Häftlinge und Straffreiheit für diese gefordert. (AFP, dpa, Reuters, spri/DER STANDARD, Printausgabe, 19.5.2010)