Diskussion um "Arbeitsplatz und Lernumfeld Schule" im Bifie-Institut. Claus Reitan (links) moderierte.

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Johannes Mayr von der Universität Klagenfurt und Fritz Kast von der Pädak Burgenland zweifelten an der Qualität der Fortbildungen, welche die österreichischen Lehrer und Lehrerinnen absolvieren.

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Martin Hartmann, Experte für Schulmanagement, kritisierte, dass es an den Schulen keine geteilte Führung gibt. Die Führungsverantwortung liegt allein beim Direktor oder der Direktorin.

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Auch Lehrer schwänzen den Unterricht, kommen zu spät oder bereiten sich schlecht auf den Unterricht vor. Diese Lehrer müssen damit rechnen, dass ihre Schüler es ihnen gleichtun. Zu diesem Schluss kommt die Analyse der Talis-Studie 2008 des Bifie (Institut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens). Die Talis-Studie wurde von der OECD initiiert und untersucht die Schule Lernumfeld und Arbeitplatz in 23 Ländern.

Die Forscher waren besonders darüber überrascht, dass eine sogenanntes "konstruktivistische Unterrichtsauffassung" (Lehrer geben ihren Schülern hierbei die Möglichkeit, sich die Lehrinhalte selbst anzueignen), zu mehr Vandalismus und Bullying bei den Schülern führt. Dieses "abweichende Verhalten" nimmt auch zu, wenn die Lehrer selbst eine "schlechte Lehrdisziplin" an den Tag legen. Das tun sie auch. So gaben die Schulleiter an, dass beinahe zehn Prozent der Lehrer zu spät kommen, über zwanzig Prozent "sehr viel" oder "zu einem gewissen Ausmaß" abwesend sind und sich vierzehn Prozent nicht genügend auf den Unterricht vorbereiten.

Bei Lehrerauswahl auf Disziplin achten

Ferdinand Eder, einer der Studienautoren, rät deshalb, die Lehramtsstudierenden besser auszuwählen. Es sollten jene Personen als Lehrer aufgenommen werden, die bereit sind, "Regeln einzuhalten", sagt der Salzburger Universitätsprofessor. Eine andere Möglichkeit wäre, gegen Lehrer, die oft im Unterricht fehlen oder zu spät kommen, ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Dies passiere jedoch äußerst selten, so Eder. 

Die Analyse der Studie ergab, dass sich Lehrer in Österreich sich überdurchschnittlich viel fortbilden. So gaben 97 Prozent der Befragten an, in den letzen 18 Monaten bei einer Fortbildung gewesen zu sein. Mit nur insgesamt elf Tagen in eineinhalb Jahren waren diese jedoch überdurchschnittlich kurz. In der Diskussion über die Analyse stellte Johannes Mayr, Experte für Fort- und Weiterbildung von Lehrern, jedoch fest, dass diese Kurse oft "Alibiaktivitäten" seien. Lehrer würden solche Fortbildungen auswählen, die in der Nähe des Schulstandortes, oder ihres Wohnortes seien und nicht jene, die sie brauchen würden.

Lehrer-Fortbildung zum Weinsommelier

Fritz Kast von der Pädagogischen Hochschule Burgenland erzählte, dass sich Lehrer selbst Kurse zum Wein- und Käsesommelier, absolvieren können. Verpflichtende Fortbildungen, wie sie für Hauptschul-Lehrer vorgesehenen sind, sind laut Mayr jedoch nicht immer zielführend. Auch eine Vorgabe an Stunden, die zu absolvieren sind, würde er nicht unbedingt begrüßen. "Der primäre Ansatz sollte sein, dass die individuelle Lehrperson nach der Fortbildung das Gefühl hat, etwas wirksames gelernt zu haben", sagte er. Die Studienautoren empfehlen deshalb, dass die gezielte Fortbildung von Lehrern forciert werden soll.

Auch die Strukturen an Österreichs Schulen sind für die Fortbildung von Lehrern nicht unbedingt positiv. So machten die Experten darauf aufmerksam, dass sich Lehrer weder bei der Schulleitung noch bei den Kollegen beliebt machen, wenn sie auf Fortbildung fahren: Der Direktor oder die Direktorin muss administrative Änderungen vornehmen und die Kollegen müssen seine Schüler in dieser Zeit unterrichten.

Zu wenig Personal

Im Bereich Schulmanagement wurden durch die Studie weitere Mängel aufgedeckt. Während beim Durchschnitt der an der Studie teilnehmenden Länder auf eine "pädagogisch unterstützende" Person (also Beispielsweise Psychologen, Sozialarbeiter, oder Logopäden) sechzehn Lehrer kommen, muss in Österreich  eine Person 29 Lehrer unterstützen. Beinahe achtzig Prozent der Schulleitungen der Österreichischen Schulen gaben an, dass dieses fehlende Personal den Unterricht beeinträchtigt. Diese Situation kann auch die Überlastung der Lehrer fördern, so die Experten.

Mehr Schulautonomie bei Auswahl der Lehrer gefordert

Bezüglich der Schulautonomie stellt Österreich im Vergleich zu den anderen Ländern ein Unikum dar. Während die Schulleitung im Bereich des Lehrpersonals und des Budgets der Schule nur sehr eingeschränkt tätig werden kann, kann der Lehrplan recht frei umgesetzt werden. Auch die Auswahl der Schüler sowie Disziplinmaßnahmen kann die Schule weitgehend selbst bestimmen. Juliane Schmich (Bifie) erklärte, dass befragte Schulleiter den Wunsch geäußert hätten, auch bei der Auswahl von Lehrern aktiv zu werden. (Lisa Aigner, derStandard.at, 18.5.2010)