Brüssel/Wien - "Tiefe Einschnitte im Militärbudget schwächen nicht nur die Verteidigung, sondern könnten auch der Wirtschaftsentwicklung schaden." Mit dieser Warnung suchte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen den Mitgliedsstaaten der Militärallianz die aus seiner Sicht drastische Lage zu vermitteln. AmMontag präsentierte er in Brüssel die Empfehlung einer Expertenkommission zur Zukunft der Nato.

Haarigster Punkt für die nächsten Jahre des Bündnisses ist das Geld. Viele Staaten wollen angesichts der Wirtschaftskrise ihre Militärbudgets weiter kürzen. Dabei erreichen bereits jetzt nur sechs von 26 Nato-Staaten das gemeinsame Ziel, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Das monierte die Leiterin der Expertengruppe, die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright. Sie forderte alle Staaten auf, zumindest "den steilen Abfall der Verteidigungsausgaben" abzufangen, um gegen neue Bedrohungen wie Terrorismus und Cyberattacken gewappnet zu sein.

Die Empfehlungen der Experten rund um Albright sind Grundlage für ein neues Nato-Strategiepapier, über das die Führer der Mitgliedstaaten bei der Nato-Konferenz im November in Lissabon abstimmen sollen. Das letzte derartige Strategiepapier wurde 1999 verabschiedet.

Russische Einflusssphären

Das Strategiepapier werde auch heikle Themen wie den Nato-Beitritt von Georgien ansprechen, sagte der österreichische Militär-experte Gerald Karner dem Standard. Eine rasche Aufnahme Georgiens in das Bündnis sei jedoch nicht wahrscheinlich. "Die Nato wird kein Land aufnehmen, das in einem offenen Konflikt steht." Zuerst müsse Georgien seinen Streit mit Russland beilegen. US-Präsident Barack Obama werde die Nato-Aufnahme von Ex-Sowjetrepubliken nicht offensiv vorantreiben, um die Beziehungen zu Russland nicht zu trüben, glaubt Karner.

Die zukünftige Mitgliedschaft von Ländern des Kaukasus oder Zentralasiens wird von Albright jedoch nicht kategorisch ausgeschlossen. "Die Nato akzeptiert die Idee von ‚Einflusssphären‘ nicht" , sagte sie der russischen Agentur Interfax. Die Nato habe Partnerschaften mit vielen Ländern der Region, etwa beim Antiterrorkampf, die auch im russischen Interesse seien. (Alexander Fanta/DER STANDARD, Printausgabe, 19.5.2010)