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Befindet sich der Fernseher auf dem absteigenden Ast?

Foto: EPA/VINCENT GAUTIER

Zaghaft aber doch bekennen sich immer mehr dazu, Serien in Massen zu konsumieren. Auch die Angst, deswegen als schutzloses Opfer der Kulturindustrie zu gelten, wird seltener - frau versteht sich als kritische RezipientIn. So will es aber andererseits der ORF dann doch nicht glauben, dass SeherInnen, die gerne ein Kulturmagazin schauen, auch für den geballten Serien-Aufmarsch im 1er offen sind - beides findet im ORF immer Montags zeitgleich statt. Auch nützen viele nach wie vor gerne die Gelegenheit, auf die Frage, ob er/sie dies oder jenes gesehen hätte, so zu antworten: "Nein leider, wenn überhaupt, dann schau ich ausschließlich Arte oder 3-Sat".

Fernsehen - ganz klassisch

Dennoch: Das eigene Fernsehverhalten als eine überlegte Auswahl von qualitativ Hochwertigem und als eine Distanzierung vom Konsum der Massen zu präsentieren wird seltener. Und so findet der neue Serien-Nachschub und das mittlerweile sehr teuer produzierte Material auch im Feuilleton oder den Kultur-Seiten Berücksichtigung. Kaum aber ist die Grenze zwischen legitimer und illegitimer Kulturgüter aufgeweicht, droht der "Fernsehgemeinschaft" eine weitere Spaltung: Die FernseherInnen im klassischen Sinn und jene, die sich Serien über das Netz oder DVDs zu Gemüte führen stehen sich neuerdings gegenüber. 

Erstere wissen von den Geschichten, die in den Serien erzählt werden, nur so viel, wie ihnen von den zur Verfügung stehenden Sendern vorgesetzt wird. Fällt eine Folge mal wegen einer Sportübertragung aus, wird die Fortsetzung um eine Woche verschoben. Der Vorteil allerdings ist, dass all jene, die ebenso dieses Fernsehverhalten pflegen, auf dem gleichen Stand sind: Verschiedene Interpretationen können ausgetauscht werden, Freude oder Trauer darüber, wer aus der Lieblings-Serie gekickt wurde, kann gemeinsam erlebt werden. 

Natürlich sind auch Pluspunkte für den Serien-Konsum über das Netz oder mit DVDs, für Fernsehen im Alleingang sozusagen, nicht schwer zu finden: Keine Werbeunterbrechungen, der Zeitpunkt kann frei gewählt werden, eine ganze Staffel kann in einem Stück angeschaut werden - im Originalton noch dazu. Allerdings verliert diese Art des Konsums in Punkto "sozialer Aspekt". Zwar werden auch bei dieser gemeinsame Fernseherlebnisse organisiert, so treffen sich Fans schon mal zu dem einen oder anderen Serien-Marathon. Für jene, die sich dreinreden und Spontan-Bewertungen von Szenen verbieten, bleibt aber das kollektive Fernseherlebnis vor dem Kastl, das keiner Organisation bedarf, der klare Favorit. Außerdem handelt es sich beim künstlich herbeigeführten gemeinsamen Serien-Konsum meist um eine relativ homogene Gruppe, in der man sich über Funktion, Unterhaltung oder dem politischen Gehalt des Gesehenen wahrscheinlich weitgehend einig ist.

Fernsehen goes individuell?

Im Übrigen: Fernsehen darf nicht Arbeit werden. Es gilt so schon aus einer riesigen Masse von Büchern, Musik oder Filmen auszuwählen. Im Kultur- und Kunstbereich Tätige sind hier klar im Vorteil, haben sie doch schon von Berufs wegen einen Überblick - ist man allerdings in anderen Feldern unterwegs, gilt es Zeit zu investieren - das muss bei Fernsehserien nicht auch noch sein. Deswegen: Fernsehen goes individuell? Nein, danke. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 19.5.2010)