Darf's ein bisserl mehr sein? Wer wie viel vom Förderkuchen bekommen soll, kann und muss, darüber fliegen zwischen Forschungsratschef Knut Consemüller (rechts) und Andreas Schibany die Fetzen.

Fotos: AWS, Hendrich

Als ehemaliger Böhler-Vorstandsdirektor beschwert sich Forschungsratschef Knut Consemüller gleich bei den Joanneum-Chefs.

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Die Szene diskutiert nicht mehr akademisch über innovative Verteilungsgerechtigkeit, sondern darüber, wie politisch Ökonomen sein dürfen.

Der Wettbewerb um die Befüllung der Forschungsförderungstöpfe gewinnt an Schärfe. Auf hitzige Debatten über die "wahren" Steigerungsraten der Unternehmensförderung für Forschung und Entwicklung (F&E) und des Universitätssektors folgten im Frühjahr Schriftwechsel.

Letztere hatten aufklärerischen Charakter und wurden von Industriellenvereinigung (IV) und Forschungsrat verschickt, allerdings nicht an Studienautor Andreas Schibany, der in Studien und Diskussionsbeiträgen auf die ungleichen Zuwächse der beiden Förderbereiche in den vergangenen Jahren aufmerksam gemacht hatte, sondern an dessen Vorgesetzte, also die Geschäftsführung der Joanneum Research Forschungsgesellschaft in Graz. Während freilich die IV in ihrem Schreiben im Sinne einer akademischen Debatte Aufklärung über Diskrepanzen und Interpretationsunterschiede begehrte und in einen Diskussionsprozess eintrat, bei dem sachliche Argumente ausgetauscht wurden, geriet der Brief des Vorsitzenden des Rats für Forschung und Technologieentwicklung, Knut Consemüller, zu einer Abrechnung mit Innovationsökonom Schibany. Dessen öffentliche Äußerungen und Interpretation seien "tendenziös". Einschätzungen wie jene, Österreich könne sich die Erhöhung der Forschungsprämie von acht auf zwölf Prozent angesichts des Spardrucks "derzeit nicht leisten", zumal der universitäre Sektor an akutem Geldmangel leide, stellten die Objektivität infrage. Schibany habe die Steigerungsraten der beiden Forschungssektoren "undifferenziert" präsentiert und vor allem die in der Literatur durchaus überzeugenden Argumente für steuerliche Forschungsförderung" ebenso außer Acht gelassen wie die Forschungsfreibeträge, argwöhnt Consemüller in dem Beschwerdebrief, der dem Standard vorliegt. Das jedoch habe maßgeblich zur kritisierten Verzerrung beigetragen, laut der die Förderung der Forschung im Unternehmenssektor von 2002 bis 2007 um 185 Prozent gestiegen sei, jene im Hochschulsektor aber nur um 25 Prozent.

Wiewohl neue Erhebungen auf Basis der Daten von Statistik Austria im April 2010 neue Berechnungen ermöglichten – die unternehmensbezogenen staatlichen Förderungen stiegen von 404 Mio. Euro im Jahr 2002 um 48 Prozent auf 598 Mio. Euro im Jahr 2007, die Steuerausfälle durch indirekte Förderung (Forschungsprämie, Freibeträge alt und neu) im gleichen Zeitraum laut Finanzministerium aber von 228 auf 331 Mio. Euro – der Disput zwischen Forschungsrat und Joanneum-Forschern um die Erhöhung der Forschungsprämie hatte sich in den alten Berechnungen verfangen. Dies, obwohl die neuen Daten deutlich zeigen, dass Differenzierung nottut, weil die Kosten einer linearen Erhöhung der Forschungsprämie beträchtlich sein können. Zumal die steuerliche F&E-Förderung 2007 anteilsmäßig bereits 55 Prozent der gesamten unternehmensbezogenen F&E-Förderung ausmachte, was Österreich international einen Spitzenplatz einbringt.

Aus dem bevorstehenden Verteilungskampf im Zuge der Budgetdebatte erklärt sich immerhin der Vorwurf Consemüllers, Schibany betreibe mit seinen bewusst "knackig formulierten Statements" selbst Forschungspolitik, obwohl gerade "politische Statements zu besonders sensiblen Themen" entbehrlich seien.

Das ruft den ehemaligen Präsidenten des Wissenschaftsfonds FWF, Arnold Schmidt, auf den Plan. Selbst wortgewaltig, hält Schmidt in einem Brief an Consemüller dessen Forderungen für "in hohem Maße befremdlich" und kritisiert die "einengende Art", in der sich Consemüller offenbar wissenschaftlichen Diskurs vorstelle. "So soll es also Ihrer Meinung nach sein: Fundierte, inhaltliche Diskussion ist wichtig, gehört aber in ein stilles akademisches Kämmerchen. Dann treten, von der akademischen Diskussion mäßig oder gar nicht berührt, die Personen auf den Plan, die wissen, was bei ,... besonders sensiblen Themen und in budgetpolitisch schwierigen Phasen ...' zu tun ist", zitierte die APA aus Schmidts Schreiben. Dass der Joanneum-Forscher als "Störenfried" abgekanzelt werde, sei eines Forschungsratsvorsitzenden unwürdig, die Beschwerde bei Schibanys Arbeitgeber ebenso, schreibt Schmidt sinngemäß, der Consemüller als Verhinderer einer wissenschaftlichen Diskussion ohne jede Scham bezeichnet.

Vom Standard um Stellungnahme gefragt, wollte Consemüller "kein Öl in das sprichwörtliche Feuer gießen". Er stehe aber zu seinem Schreiben, das aber nicht als Maulkorb gedacht gewesen sei, sondern als Aufforderung zur differenzierten Betrachtung. Warum er den Beschwerdebrief fächerförmig verteilt und in Kopie an die Minister Doris Bures (Verkehr, Technologie), Beatrix Karl (Wissenschaft), Reinhold Mitterlehner (Wirtschaft) und Josef Pröll (Finanzen) sowie an die zuständigen Sektionschefs geschickt hat, bleibt Consemüllers Geheimnis.

Die insbesondere über "den Geist hinter der Intervention" irritierte Joanneum-Geschäftsführung betont, dass "die Arbeit von Herrn Schibany auch im vorliegenden Fall eine sachliche wissenschaftliche Publikation und Analyse ist und kein politisches Statement" darstelle.

Politische Statements wird es übrigens noch brauchen, denn der Diskurs über die Forschungsstrategie liegt im Tiefschlaf. (Luise Ungerboeck /DER STANDARD, Printausgabe, 19.05.2010)