Wien will mit einem komplexen Maßnahmenpaket die Situation der Straßenprostitution verbessern. Zu den projektierten Punkten gehört eine Kondompflicht für Freier ebenso wie Anlaufstellen für AnrainerInnen. In einem Pilotversuch will man zwei Straßenzüge in Rudolfsheim-Fünfhaus dezidiert unter den Straßenprostituierten bewerben, um andere Areale im Bezirk zu entlasten. Man wolle mit dem Maßnahmenpaket sowohl der Situation der Prostituierten, als auch den Bedürfnissen der AnrainerInnen gerecht werden, unterstrich Stadträtin Sandra Frauenberger.

Kein Verbot geplant

Aus diesem Grunde habe man sich ein Jahr Vorbereitung mit ExpertInnen genommen, um die Novellierung des Prostitutionsgesetzes samt flankierender Maßnahmen auszuarbeiten. Dabei sei das Verbot explizit nicht vorgesehen: "Solange es Freier gibt, wird es die Straßenprostitution geben - daran wird auch ein Verbot nichts ändern." Im Gegenteil würde die illegale Prostitution durch solch eine Maßnahme steigen, so Frauenberger.

Streetworkerinnen als Vermittlerinnen

Stattdessen investiert man 140.000 Euro in einen 7-Punkte-Plan. Damit wird der Verein "Sophie" der Volkshilfe zur zentralen Anlaufstelle bei AnrainerInnebeschwerden ausgebaut. Unter dem Titel "Sophie mobil" werden Streetworkerinnen in einschlägigen Gebieten sowohl den Kontakt zu den Sexarbeiterinnen als auch den AnrainerInnen suchen.

Darüber hinaus wird die Hotline 0676/88666222 werktäglich besetzt sein und zusätzlich in den besonders betroffenen Bezirken Leopoldstadt, Penzing und Rudolfsheim-Fünfhaus wöchentlich eine Sprechstunde angeboten. Mit einer Postkartenkampagne werden die deeskalierenden Maßnahmen, die am 1. Juni starten, beworben. Als viertes Element will die Magistratsabteilung 48 mit Schwerpunktaktionen die Sauberkeit der Brennpunkten steigern.

Neuland: Bestimmte Straßen für Prostitution

In einem experimentellen, halbjährlichen Feldversuch werden weiters zwei Straßenzüge im 15. Bezirk als Alternative unter den Sexarbeiterinnen beworben, um dort andere betroffene Bereiche zu entlasten. So wird die Linke Wienzeile zwischen Anschütz- und Jheringgasse sowie die Linzer Straße hinter dem Technischen Museum zwischen 21.00 und 4.00 Uhr für Straßenprostitution bestimmt. In der Linzer Straße wurde dafür eigens ein Parkverbot ab 20.00 Uhr verhängt, um das Anhalten der Freier zu ermöglichen. Die Ergebnisse des Feldversuchs sollen in eine laufende internationale Studie einfließen. "Wir bewegen uns auf Neuland", unterstrich Frauenberger. Es sei möglich, dass man damit auch scheitere.

Sittenwidrigkeit soll aufgehoben werden

Das Prostitutionsgesetz wird nach Ablauf des Feldversuchs dahingehend novelliert, dass hinkünftig für alle Bordelle Meldepflicht besteht, um die Handhabe gegen illegale Lokalitäten zu erweitern. Bei der Anmeldung wird ein potenzieller BetreiberInnen detailliert unter die Lupe genommen. Freier in Schutzzonen sollen ebenso besser verfolgt werden können. Überdies besteht für sie künftig Kondompflicht, und zugleich wird auf Frauenseite das Anbieten von ungeschütztem Sex verboten. Der Bund wird aufgefordert, die Sittenwidrigkeit der Prostitution aufzuheben, um die Ausübung als selbstständiges Gewerbe zu erleichtern.

Migrantinnen als Mediatorinnen

Um gegen Frauenhandel besser vorgehen zu können, startet man mit dem Verein "Lefö" ein sechs Monate dauerndes Pilotprojekt. Dabei werden migrantische Prostituierte zu Mediatorinnen ausgebildet, die betroffene Frauen über ihre Rechte aufklären sollen. Zugleich sollen Freier mit der Gratispostkarten- und Radiokampagne "Jede 7. Prostituierte ist Opfer von Menschenhandel. Triff die richtige Wahl" sensibilisiert werden.

Leichtere Polizeihandhabe

Weiters wird die Zusammenarbeit mit der Polizei bei Schwerpunktaktionen verstärkt. Peter Goldgruber, Leiter der sicherheits- und verkehrspolizeilichen Abteilung, zeigte sich erfreut darüber, dass seine BeamtInnen nun nicht nur verbieten müssen, sondern im Rahmen der Informationskampagne auch aufzeigen können, wo Prostituierte stehen dürfen. Man werde den Betroffenen die Chance bieten, sich regelgerecht zu verhalten: "Ich erwarte mir deshalb, dass unsere Beamten weniger Probleme haben werden beim Einschreiten."

VP wenig beeindruckt

Grundsätzliche Zustimmung zu den angekündigten Maßnahmen kam von ÖVP-Landesgeschäftsführer Norbert Walter, auch wenn die SPÖ dafür "lange gebraucht" habe. Die Volkspartei begrüße aber jeden Schritt, der den AnrainerInnen und Prostituierten helfe. Deshalb müsse der Feldversuch mit zwei dezidiert für die Straßenprostitution ausgewiesenen Straßenzügen in Rudolfsheim-Fünfhaus auf das Stuwerviertel in der Leopoldstadt ausgedehnt werden, so Walter.

Frage zur Kondompflicht

Zugleich staunte der ÖVP-Politiker über die geplante Kondompflicht für Freier: "Die Frage muss erlaubt sein, wie Stadträtin Frauenberger diese Kondompflicht exekutieren will. Vielleicht mit einer neuen Kapperltruppe namens 'Team Intim für Wien'?"

Grüne Kritik

Kritik kam von der grünen Bezirkschefin aus Rudolfsheim-Fünfhaus, Birgit Hebein: "Wir erwarten trotz des Wahlkampfes keine Beruhigungspillen, sondern konkrete mutige Schritte von Frauenberger, um tatsächlich vorhandene Probleme anzugehen." Die Anrainerbeschwerdestelle und das verstärkte Streetwork seien überfällig. Allerdings bleibe die Situation der illegalisierten Sexarbeiterinnen unberücksichtigt. Gefragt sei die Abschaffung der Sittenwidrigkeit, die Schaffung von Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen für Aussteigerinnen und Verkehrsmaßnahmen, um das Kreisen der Freier zu unterbinden. (APA)