Wien - Manche Filme kriegen einen mit den ersten Bildern und lassen einen nicht mehr los. Im Fall von "Go Get Some Rosemary" mag es an der unruhigen Nähe liegen, die die Handkamera erzeugt. Und an der entsprechend unverstellten Art, in der hier ein Universalthema angegangen wird:
Ein schlaksiger Mann mit schon leicht ergrautem Haar und markanter Frisur klettert mit einem Riesenhotdog in der Hand über einen Zaun. Das geht schief, der Mann lacht sich über sich selbst kaputt. In den nächsten Szenen wird man diesen Kindskopf namens Lenny dann als Vater zweier kleiner Buben kennenlernen. Die beiden leben normalerweise bei ihrer Mutter, aber im Moment verbringen sie zwei Wochen mit Lenny.
Der Film begleitet das Trio durch diese Tage. Er zeigt ein inniges und zugleich labiles Gefüge. Einmal geht Lenny nachts mit zwei Freunden aus, der feuchtfröhliche Abend endet in Polizeigewahrsam: Lenny hat sich mit Farbspray auf einem Rollladen verewigt - er hat "dad" geschrieben. Die Episode ist eine schöne Verdichtung von Lennys Dilemma.
Lenny bewegt sich beständig auf der Kippe, er nimmt es mit Regeln nicht so genau. Er ermöglicht seinen Kindern lieber ungewöhnliche Erfahrungen, aber er bringt sie auch in Gefahr. Der Blick auf ihn vermeidet jedoch eine einfache Wertung, spiegelt eher die ambivalente Wahrnehmung durch die Söhne wider.
Die New Yorker Filmemacher Josh und Benny Safdie, heute 24 und 26 Jahre alt, haben ihren zweiten Langfilm auf Basis ihrer eigenen Familiengeschichte entwickelt und erfunden. Den schön rätselhaften Titel "Go Get Some Rosemary" haben sie übrigens für den US-Start gerade aufgegeben: "Daddy Longlegs" heißt der Film dort jetzt. Ein Langbein, das beständig strauchelt. (Isabella Reicher / DER STANDARD, Printausgabe, 15./16.5.2010)