Der Sonntag ist im Handel europaweit ein Reizthema.

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Die Debatte um die Ladenöffnung flammt neu auf. Einkaufen als Reisemotivation werde wichtiger, Wien gerate ohne Tourismuszone ins Abseits, klagen Hoteliers. Händler halten Geschäfte am Sonntag für unrentabel.

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Wien - Die Fronten sind verhärtet und einzelne Vorstöße abgeprallt, dennoch kommt der einkaufsfreie Sonntag nicht zur Ruhe. Vor allem nicht, wenn Touristiker ihre Gäste in Wien vor verschlossenen Läden stehen sehen. Viel Geld habe die Wirtschaft durch die rigide Ladenöffnung liegen lassen, sagt Pe-ter Peer, Präsident der Hoteliersvereinigung, er werde nicht müde, das immer wieder zu beleuchten. Zumal eine von den Hoteliers bei Gallup in Auftrag gegebene Studie dafür neuen Zündstoff liefere.

Der Meinungsforscher hat 300 Touristen in persönlichen Interviews befragt: Demnach steigt ihre Unzufriedenheit mit Wien. Sie beurteilen sowohl die Öffnungszeiten als auch die Einkaufsmöglichkeiten schlechter als vor vier Jahren. Für 38 Prozent hält der Handel im Vergleich zu anderen Städten zu kurz offen. Gut 61 Prozent plädieren für mehr Zeit zum Shoppen. Noch etwas mehr würden auch sonntags einkaufen, und ein Fünftel versichert, länger in Wien zu bleiben, öffneten die Geschäfte an sieben Tagen die Woche. Rund 50 Millionen Eu-ro würde es dem Handel bringen, verkaufe er in der Wiener Innenstadt auch sonntags, sagt Peer, den Hoteliers winkten 325.000 zusätzliche Nächtigungen.

Berechnungen, die der Wiener Handelsobmann Fritz Aichinger für Unsinn hält, davon abgesehen, dass es skurril sei, aus gerade einmal 300 Befragungen eine Studie zu machen. Die Händler seien in der Innenstadt schon an sechs Tagen nicht ausgelastet, "warum sollte es am siebten anders sein?" Im Gegensatz zu den Touristikern sage seine Branche nicht einer anderen, was gut für sie sei.

Andreas Heindl hat im Ersten Bezirk in zwei Schokoladefilialen dank seiner Konditorkonzession sonntags geöffnet, was sich auch lohne, sagt er, "ich wäre dumm, es nicht zu nutzen" . Vor allem, weil sich sonst das ganze Geschäft aufgrund der enormen Mieten nicht rechne. Jeder solle freilich selbst entscheiden dürfen, ob für ihn die Sieben-Tage-Woche sinnvoll sei.

Gegen den Strom vieler kleiner Händler vor allem in den Nebenstraßen, die einer Tourismuszone nichts abgewinnen können, stellt sich Andreas Braun, der Chef von Swarovski Tourism Services, die ihre Kristalle von Japan bis in die USA sonntags verkaufen. Der frühere Tiroler Tourismusdirektor spricht von einem Imageschaden für Wien und "nekrophilen" Geist, der seinem Konzern durch strenge Ladenöffnung ein Umsatzplus von bis zu 17 Prozent vorenthalte.

Selbst in Paris hätten am Sonntag nur kleine Händler offen, Länder wie Ungarn machten Rückzieher, entgegnet Aichinger. Mehr als 140 deutsche Ferienorten an der Küste sind dabei, die Einkaufsmöglichkeiten am Sonntag wieder deutlich einzuschränken. Berlin hat ein neues Gesetz vorgelegt, das für den Advent nur noch zwei statt vier offene Sonntage vorsieht.

Die von den Hoteliers geforderte Tourismuszone für Wien werde es jedenfalls nicht geben, sagt Aichinger. Wien sei nicht teilbar. (Verena Kainrath, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.5.2010)