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Eine wesentliche Ursache für Zähneknirschen sei die Verarbeitung emotionaler Zustände.

Foto: APA/Gero Breloer

Redewendungen kommen meist nicht von ungefähr. So auch jene vom Zähne zusammenbeißen: "Die Zähne zusammenbeißen und durch" heißt es. Ängste, Kummer, Ärger, Trauer oder Überforderung und Stress sind demnach vorübergehende Zustände, die es so schnell wie möglich hinter sich zu lassen gilt. Dass dies im Alltag nicht unbedingt mit Auseinandersetzung und Aufarbeitung von Problemen gleichzusetzen ist, steht fest. Ein Verdrängen und schnell vergessen trifft es bei den meisten wohl eher, ist dies doch jene Methode mit dem geringsten Konfrontationspotenzial. Gesund ist diese Art der Konfliktbewältigung jedenfalls nicht - oft mürbt sie an Gemüt und Zähnen. Betroffene kauen nicht verarbeitete Dinge und Situationen dann häufig nochmals durch - wenn auch meist nachts, also unterbewusst.

Spannungsabbau

"Im Allgemeinen wird Bruxismus als parafunktionelle Tätigkeit bei Tag oder bei Nacht definiert, zu der Pressen und Knirschen zwischen der oberen und unteren Zahnreihe gehören. Zähneknirschen kann ohne begleitende medizinische oder psychische Erkrankungen auftreten, wird aber auch im Zusammenhang psychiatrischen und neurologischen Störungen beobachtet", erklärt Alexandra Koschier, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Department für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie an der Donau-Universität Krems. Dort wird derzeit eine Studie zu Persönlichkeitsstrukturen von Patienten mit Bruxismus und die Wirkung unterschiedlicher Therapieformen durchgeführt.

Eine wesentliche Ursache für das Zähneknirschen sei die Verarbeitung emotionaler Zustände; vor allem Angst, Stress und Aggressionen könnten als besondere Form des Spannungsabbaus autodestruktive Prozesse im Gebiss zur Folge haben.

"Die Tatsache, dass Patienten mit Bruxismus keinen auffälligen Schlafverlauf aufweisen, sehen einige Wissenschafter als Ausgangspunkt für die Annahme, dass das Knirschen eine wertvolle Systemprophylaxe für Stresserkrankungen darstellen kann", so Koschier, Mitautorin der Kremser Studie.

Emotional belastet

Dass emotionaler Stress ein Grund für Bruxismus sein kann, zeigt auch eine neue Studie des Universitätsklinikums Düsseldorf, die in der Fachzeitschrift "Head and Face Medicine" publiziert wurde. Bei der Untersuchung konnten die Wissenschafter zeigen, dass Personen, die mit den Zähnen knirschen, häufig im Alltag mit Stress belastet waren. Ein aneinander reiben der Zähne ist jedoch keine erfolgreiche Methode, um Stress abzubauen. Das einzige, das Betroffene dadurch davontragen, sind Verspannungen im Gesicht sowie Kopf- und Nackenschmerzen durch die Überbeanspruchung von Kaumuskulatur und Kiefergelenken - und unter Umständen ein grantiger Partner am Morgen. Denn übersteigt das Knirschen einen bestimmten Lärmpegel, ist es oft der Partner, dem die nächtliche Tätigkeit auffällt. Oft bleibt das nächtliche Zähneknirschen aber lange Zeit unentdeckt, da es unbewusst während des Schlafes stattfindet. Erst wenn sich die typischen Folgen zeigen, etwa ein beschädigter Zahnschmelz, Abschleifspuren an den Zähnen und abgewetzte Zahnkronen, erkennen Zahnärzte, was los ist.

Neben psychischen Ursachen gibt es auch noch andere Gründe für Bruxismus: Eine neue Plombe, Krone oder ein neuer Zahnersatz können, wenn sie "zu hoch" sind, ebenfalls dafür verantwortlich sein. Auch orthopädische Erkrankungen wie Fehlhaltungen sind potenzielle Auslöser, da in Folge Verspannungen der Kaumuskulatur auftreten können.

Entwicklung enormer Kräfte

Generell ist das Zähneknirschen jedoch ein sehr häufiges Phänomen und muss nicht zwingend auf eine (psychische) Erkrankung hinweisen. Schätzungsweise 70 Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen. In entspanntem Zustand - also auch während des Schlafens - sollen sich die Zähne in der so genannten Ruheschwebe befinden. In diesem Zustand haben die obere und untere Zahnreihe einen Abstand von einigen Millimetern und berühren sich nicht. Bruxismus kommt tagsüber in Anspannungsphasen vor, ist aber in den meisten Fällen ein nächtliches Phänomen. Dabei presst oder knirscht der Betroffene die oberen und unteren Zahnreichen mit einer enormen Kraft gegeneinander - oft das Zehnfache des normalen Kaudrucks.

Stressabbau & Zahnschiene

Um Schäden an den Zähnen zu verhindern, können nachts Aufbiss-Schienen aus Kunststoff getragen werden. Betroffene, die auch Tags über anfällig für Zähneknirschen oder -pressen sind, sollten sich dessen bewusst werden und Pressbewegungen aktiv vermeiden.

Ist anzunehmen, dass psychische Probleme das Zähneknirschen verursachen, ist deren Aufarbeitung die beste Möglichkeit, die reibende Tätigkeit zu beenden. Entspannungstechniken, Stressreduzierung, ein Überdenken der aktuellen Lebenssituation und die Benennung von Problemen können schrittweise für Besserung sorgen. "In manchen Fällen hilft die Aufklärung der Patienten über das Knirschen und die möglichen Folgen. Insbesondere sollen Betroffene über die möglichen stressbedingten Ursachen des Bruxismus informiert werden, wodurch Zusammenhänge erkannt und verändert werden können", so Koschier abschließend. (derStandard.at, 20.05.2010)