In den Pausen spielen die Kinder im Hof, der auch zur St. Hripsime Kirche führt.

Foto: Güler Alkan

Umschlag eines armenischen Kinderlexikons: Landeskunde, Kultur und Geschichte werden in der Samstagsschule großgeschrieben.

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Der Sitz der Armenisch-Apostolischen Kirchengemeinde im dritten Wiener Bezirk beherbergt neben der St. Hripsime Kirche auch die Hovhannes Shiraz Schule. Rund 100 SchülerInnen im Alter von sechs bis achtzehn Jahren drücken hier einmal pro Woche, immer samstags, die Schulbank. Insgesamt gibt es zwölf Klassen verschiedener Altersstufen, die von vierzehn LehrerInnen unterrichtet werden. Gegründet wurde die Schule im Jahr 1981. "Es hat mit Sprachunterricht angefangen, das war die Basis. Man wollte, dass die Kinder, die hier geboren wurden, Armenisch lesen und schreiben können", erzählt Direktorin Karine Zangocyan. Zu dieser Zeit wuchs auch die armenische Gemeinde in Wien und damit der Bedarf an muttersprachlichem Unterricht, da "damals sehr viele Armenier aus dem Iran nach Österreich gekommen sind", so die Direktorin.

Zwei unterschiedliche Sprachen

Mit dem Lesen und Schreiben des Armenischen ist es nicht so einfach. "Armenisch ist eine alte, schwierige Sprache, die seit dem 5. Jahrhundert in Schriftzeugnissen vorliegt, die Kinder haben es nicht leicht", resümiert Zangocyan. Armenisch stellt einen eigenen Zweig innerhalb der indogermanischen Sprachfamilie dar, mit eigener Schrift, deren Schriftzeichen sich sehr vom lateinischen Alphabet unterscheiden. Hinzu kommt noch, dass es zwei unterschiedliche armenische Sprachen gibt: West- und Ostarmenisch.

Die zwei Sprachen werden in der Samstagsschule getrennt angeboten. "Je nachdem, ob zuhause West- oder Ostarmenisch gesprochen wird, und woher die Eltern stammen. Ostarmenisch wird heutzutage in Armenien und im Iran gesprochen, Westarmenisch in der Türkei, Syrien, dem Libanon und auch im Irak", erklärt Marine Sadoyan, Vizedirektorin der Hovhannes Shiraz Schule. Direktorin Zangocyan weist auf Unterschiede in der Rechtschreibung hin: "Die neue Rechtschreibung wird seit etlichen Jahren in Armenien, die alte Rechtschreibung – quasi die ursprüngliche Schrift – außerhalb Armeniens verwendet." So finden sich in den Schulbüchern unterschiedliche Schreib- und Druckweisen.

Fremde Muttersprache

Im Schulhof und in den Pausen wird Deutsch gesprochen. "Es fällt den Kindern leichter, Deutsch zu sprechen, die deutsche Sprache steht in ihrem Alltag im Vordergrund", stellt die Direktorin etwas wehmütig fest. Auch während des Unterrichts wird teilweise mit deutschen Übersetzungen gearbeitet. "Armenisch ist für viele Schüler Neuland, es heißt zwar Muttersprache, ich würde es aber eher als Zweit- bzw. Fremdsprache bezeichnen. Es gibt Familien, in denen wenig bis gar nicht Armenisch gesprochen wird, wie bei gemischten Ehen zum Beispiel", berichtet Sadoyan.

Generell sind Armenier in Österreich sehr gut integriert. "Wir haben keine Integrationsschwierigkeiten, unsere Kinder und deren Eltern sind voll integriert", betont Zangocyan. Der Schulleitung ist es daher ein großes Anliegen, dass die Kinder die Sprache in einem armenischen Umfeld lernen und anwenden: "Unser Ziel ist es, den Schülerinnen und Schülern die armenische Sprache, Kultur sowie Traditionen weiterzugeben." So stehen Tanz-, Zeichen- und Musikunterricht auf dem Lehrplan, auch die Geschichte des armenischen Volkes sowie armenische Literatur sind wichtige Bestandteile des Samstagsunterrichts.

Umgang mit der Geschichte

Der Geschichtsunterricht fängt an, "wenn die Kinder schon älter sind", also ab dem vierzehnten Lebensjahr, und ist sehr umfassend. Vizedirektorin Sadoyan unterstreicht die Verknüpfung der armenischen Geschichte mit der Religion: "Armenische Geschichte beginnt 3000 v. Chr. und konzentriert sich nicht nur auf den Genozid an den Armeniern im Osmanischen Reich zwischen 1915 und 1917. Unsere Geschichte hat auch sehr viel mit Religion zu tun, bereits 301 n. Chr. wurde das Christentum als Staatsreligion in Armenien übernommen."

Direktorin Zangocyan beschreibt, wie das Thema Völkermord im Geschichtsunterricht behandelt wird: "Indem wir die Tatsachen darstellen, mit Dokumenten und Bildern. Insbesondere Dokumentationen des deutschsprachigen Raumes stoßen dabei auf großes Interesse bei den Jugendlichen." Das Thema werde auch nicht andauernd in der Schule erwähnt. "Einmal im Jahr, am 24. April, findet ein Gedenktag statt. Für die Opfer des Genozids werden dann Blumen am Denkmal, das im Hof des Gemeindesitzes steht, abgelegt", fügt Zangocyan abschließend hinzu. (daStandard.at, 20.5.2010)