Graz - Es sei innerhalb kürzester Zeit "zur Entladung" gekommen. Der Täter habe "wie wild rasend" eingestochen, "es war ein Overkill" , sagte Kriminalpsychologe Thomas Müller. "In 37 Jahren ist mir kaum so ein Fall untergekommen" , ergänzte Gerichtsmediziner Eduard Lainzinger.

Müller und Lainzinger versuchten am Donnerstag etwas Licht in diesen mysteriösen Mordfall zu bringen, der seit Anfang der Woche im Grazer Straflandesgericht verhandelt wird. Wesentlich heller wurde die Causa aber auch mit ihren Aussagen nicht.

Ein Grazer Gymnasialprofessor wird beschuldigt, 2003 einen Pensionisten mit mehr als 85 Messerstichen ermordet und anschließend teilweise verstümmelt zu haben. Angebliches Tatmotiv: religiöser Wahn samt Satansbekämpfung. Der Fall wurde bereits 2004 abgehandelt und mit der Verurteilung eines türkischen Flüchtlings abgeschlossen. Tatmotiv damals: Der Pensionist habe ihn sexuell bedrängt, daraufhin habe er den Mann in blinder Wut getötet.

Der Türke widerrief aber 2009 sein Geständnis und beschuldigte den AHS-Lehrer, seinen väterlichen Freund - der jetzt vor Gericht steht. Der ursprünglich Verurteilte kann aber nicht mehr aussagen, er hat sich vor dem Prozess das Leben genommen.

Ein handfester Sachbeweis für die neue Version konnte bis Donnerstag aber noch nicht vorgelegt werden. Lediglich mögliche Indizien, wie Abhörprotokolle von Telefonaten, die der Gymnasialprofessor - ein bedeutendes Mitglied der lokalen Gemeinschaft der Zeugen Jehovas - führte. Darin ist unter anderem von "der Satan arbeitet schon wieder" die Rede. Für die Staatsanwaltschaft ein Hinweis. Die Theorie der Anklage, dass der junge Türke und der Lehrer gemeinsam die Tat begangen hätten, passt wiederum nicht ganz zur Aussage einer Nachbarin, die nur zwei Personen, Opfer und Täter, die sich auch sexuell genähert hätten, gesehen haben will.

Dass eine sexuelle Komponente im Spiel gewesen sein kann, sagten auch Mithäftlinge des Verstorbenen aus. Und: Er habe Drogen konsumiert. Im "Häfn" könne man ohnehin alles kaufen. Geld dafür sei vom AHS-Lehrer gekommen. Die Zeugen, die aus der Haft vorgeführt wurden, gaben an, er habe stets davon gesprochen, dass "der Lehrer" der Täter sei, er dafür gradstehe und Geld bekomme. Das Urteil: heute, Freitag. (Walter Müller, DER STANDARD - Printausgabe, 21. Mai 2010)