Protestaktion: Die Szene ist bunter geworden, die Unterstützung der Grünen aber ist ohne parteiliches Interesse geblieben.

Foto: Standard/Robert Newald

Wien - Wenn es nach der Statistik geht, die die Grünen-Rechtsexpertin Marlies Meyer Jahr für Jahr erstellt, "dann spüren wir nichts von einer Krise": Meyer stellt im Gegenteil fest, dass immer mehr Bauprojekte auf den Widerstand von besorgten Bürgern treffen. Wenn nämlich - auch als Mittel gegen die Krise - Infrastrukturmaßnahmen gesetzt werden, dann kommen die Interessen des Umwelt- und Naturschutzes leicht unter die Räder.

Damit sich Bürgerinitiativen dagegen wehren können, hat der Grüne Klub einen Fonds, den sogenannten BIV, eingerichtet, in den die Klubmitglieder einzahlen müssen, damit ein Teil der grünen Politikereinkommen an die Basisinitiativen umverteilt wird.

Wichtig ist, dass mit den jährlich knapp 50.000 Euro ausschließlich die Kosten von Rechtsstreitigkeiten abgefangen werden - und das vor allem in Fällen von grundsätzlicher Bedeutung, wie der Wiener Staats- und Verwaltungsrechtler Daniel Ennöckl, der in den Vorstand des BIV berufen wurde, im Gespräch mit dem Standard erklärt.

Im Vorjahr wurden allein 34.349 Euro für Streitigkeiten um Straßenbauprojekte lockergemacht. Da gibt es etwa das Projekt der Donaubrücke Traismauer, deren Trasse von der Asfinag durch ein europarechtlich geschütztes Natura-2000-Gebiet projektiert wurde. Die Bürger, die dagegen aufbegehrten, wurden vom Projektwerber abgewiesen, auch der Verfassungsgerichtshof sah die Bürgerinitiative als "nicht rechtmäßig konstituiert" an und ließ sie daher abblitzen.

Das Engagement hat sich aber letztlich doch gelohnt. Zwar darf die Straße nun gebaut werden, doch heißt es in dem Bericht des BIV: "Effekt der Beteiligung waren umfangreiche Ausgleichsmaßnahmen."

Und das wird für den Errichter teuer: Im Fall Traismauer erhöhen sich die Projektkosten um 17,9 Prozent. Der Rechnungshof hat errechnet, dass man im Schnitt mit zehn Prozent erhöhten Kosten rechnen muss, wenn man Projekte in Naturschutzgebieten plant. Es wäre daher im Sinne der Steuerzahler, von vornherein auf die Umweltinteressen Rücksicht zu nehmen.

Das gilt nicht nur für Straßenbauten: Eine der vom BIV unterstützten Initiativen hat etwa das an der Schwarzen Sulm in der Steiermark vorgesehene Kraftwerksprojekt zu Fall gebracht.

Es ist insofern grundsätzlich bedeutsam, als es hier um die Abwägung des übergeordneten öffentlichen Interesses an Stromversorgung gegen Umweltschäden ging - und der Umweltschutz bisher gewonnen hat. Das wird von den Grünen gern gesehen - ist aber längst nicht nur ein grünes Anliegen, sagt Ennöckl: "Das Vorurteil, dass Bürgerinitiativen aus latzhosentragenden Bio-Lehrern bestehen, stimmt nicht mehr. Da sind jetzt oft Wirtschaftsanwälte und Höchstrichter dabei." (Conrad Seidl, DER STANDARD - Printausgabe, 21. Mai 2010)