Wien - Die vor zwei Jahren gegründete "Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform" drängt auf eine umfassende Diskussion zu einer Demokratiereform. Notwendig wäre dies gerade angesichts sinkender Wahlbeteiligung, sind sich die Protagonisten einig. Obmann Heinrich Neisser hat sich bei einer Pressekonferenz am Freitag aber gegen anlassbezogene, punktuelle Änderungen ausgesprochen. Er verwies auf eine Veranstaltung der Initiative im Herbst, wo man denkbare Modelle vorstellen will.

Der frühere Zweite Nationalratspräsident Neisser kündigte für die Zukunft einen jährlichen "Demokratiebefund" an, der erste soll 2011 vorliegen. Noch heuer will man etwa zu den Schwerpunkten Wahlrechtsänderung, Superwahlsonntag oder zur Kandidatenfindung Initiativen setzen. So plädiert der Rechtsprofessor Klaus Poier etwa für eine stärkere Personalisierung, denn das derzeitige Vorzugsstimmensystem sei lediglich Makulatur, meinte er. Ebenso sollte es eine stärkere Mehrheitsorientierung geben.

Der Publizist Hubert Feichtlbauer lehnt die Vielzahl von Wahlterminen ab und sprach sich für einen Superwahlsonntag aus. Zwar sollte eine frühzeitige Regierungsauflösung weiterhin möglich sein, die Neuwahl dann aber nur für den Rest der ursprünglichen Legislaturperiode gelten. Er zeigte sich davon überzeugt, dass damit leichtfertige Beendigungen verhindert werden könnten.

"Versagen der Kontrolle des Parlaments"

Die Vertreter der Initiative pochten auf die Kontrollaufgabe des Parlaments. "Das Versagen der Kontrolle des Parlaments hängt mit dem Selbstverständnis der Parlamentarier als Parteiangehörige zusammen", kritisierte etwa Theo Öhlinger. Er wies darauf hin, dass Österreich abgesehen von Luxemburg über die älteste Verfassung in Europa verfüge: "Das weiß man, man zieht aber keine Konsequenz. Die Bereitschaft für Engagement fehlt."

Neisser lehnt eine anlassbezogene Diskussion ab und nannte die Bundespräsidentenwahl als Beispiel: "Ein Problem taucht auf und schon ruft man nach einer Änderung. Wir wollen, dass man vom Punktualismus wegkommt."

"Zivilgesellschaft sollte ihren Druck erhöhen"

"Die Zeit ist reif und der Stillstand in der Politik wird das beste Argument für eine Änderung sein", stellte der frühere SPÖ-Ideologe Norbert Leser fest. Er räumte ein, dass es kein absolut gerechtes Wahlsystem geben kann, es gehe immer um die Abwägung. Neisser plädiert zudem dafür, die Diskussion zu einer Verfassungsänderung aus dem Zirkel von Fachleuten heraus zu bringen: "In einer Demokratie ist es unerträglich, wenn das Volk nicht selbst tätig wird. Eine Demokratie braucht Parteien, deren Einfluss limitiert ist."

"Die Beharrungskraft der beiden 'großen' Parteien ist stark. Die Zivilgesellschaft sollte ihren Druck erhöhen", forderte Poier. So sprach sich Leser auch für ein Volksbegehren gegen die "bestehende Parteienwillkür und eine Änderung des Wahlrechts" aus: "Das könnte Bewegung hineinbringen." Er hätte auch nichts dagegen, wenn ein derartiges Unterfangen von einer "führenden" Tageszeitung unterstützt würde.

Zwar sind die Initiatoren arrivierte, ältere Persönlichkeiten, bei der Vermittlung ihrer Positionen setzen sie aber durchaus auf neue Medien. Neben der Homepage (http://www.mehrheitswahl.at) ist ab heute auch die facebook-Gruppe "Demokratiereform" aktiv. (APA)