Graz/Wien/Berlin - Der Listerien-Skandal rund um den Käse der steirischen Firma Prolactal zieht immer weitere Kreise: Zusätzlich zu den Erhebungen der österreichischen Staatsanwaltschaft wird nun auch in Deutschland gegen das Unternehmen ermittelt. Laut der Nachrichtenagentur dpa hat die Organisation Foodwatch eine Strafanzeige gegen die Firma erstattet, zusätzlich wurden das Stuttgarter Verbraucherschutzministerium sowie der Lebensmittel-Discounter Lidl, in dessen deutschen Filialen der Käse verkauft wurde, angezeigt.

Die Staatsanwaltschaft (StA) Graz sei mit den Kollegen in Stuttgart und Heidelberg in Kontakt, sagte Behördensprecher Hansjörg Bacher am Freitag. Das Landeskriminalamt Steiermark könnte zur Unterstützung bei den Erhebungen herangezogen werden, da auch Lebensmittelketten ins Visier geraten könnten. Diesbezüglich müssten aber noch die Unterlagen der deutschen Behörden abgewartet werden.

Die StA Graz sei nach wie vor mit Erhebungen bei Prolactal im oststeirischen Hartberg beschäftigt, erklärte Bacher. Seit 26. März sei ein Sachverständiger mehrmals im Betrieb gewesen und habe die Produktionskette unter die Lupe genommen. Die Untersuchungen würden so lange dauern, da man die Situation umfassend erheben wolle. Zugleich sei die Polizei mit den Befragungen von Mitarbeitern beauftragt. Konkrete Ermittlungen gegen bestimmte Personen gebe es noch nicht.

Vorbereitungen von Klagen

Abseits der Ermittlungen laufen die Vorbereitungen von Klagen des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) sowie der steirischen Arbeiterkammer (AK) auf Hochtouren: 14 Geschädigte fordern über den VKI Schadenersatz, erklärte Peter Kolba, Leiter der VKI-Rechtsabteilung. In zwei Fällen seien Personen verstorben, der Rest betreffe Listerien-Erkrankungen. Derzeit werden die Fälle von einem Anwalt aufgearbeitet und medizinische Gutachten für die Beweisführung erstellt, so Kolba. Die Forderungen sollen noch vor dem Sommer in einem Schreiben der rechtlichen Vertretung von Prolactal übermittelt werden. Gebe es keinen Schadenersatz in der verlangten Höhe, werde der VKI seine Klienten bezüglich einer Zivilklage sowie einer Beteiligung am Strafverfahren gegen Prolactal unterstützen.

Auch die AK ist nach wie vor mit der Vorbereitung einer Klage beschäftigt: Zwei erkrankte Prolactal-Mitarbeiter wandten sich an die Vertretung. Sie werfen dem Unternehmen vor, in der Produktion seit Jahren abgelaufene Enzyme verwendet zu haben und können dies laut AK mit Fotos untermauern. Die Klageschrift ist laut AK-Abteilungsleiter für Arbeitsrecht, Wolfgang Nagelschmied, noch nicht fertig. Es würden noch ärztliche Befunde fehlen. Prolactal hat die Vorwürfe in der Vergangenheit zurückgewiesen.

In Deutschland ermittelt die Staatsanwaltschaft Heilbronn gegen Lidl und prüft einen Verstoß gegen das Lebensmittel-und Futtermittelgesetzbuch, so die dpa. Es gehe um den Verdacht der fahrlässigen Tötung und der Körperverletzung mit Todesfolge, da zu spät über die akute Gesundheitsgefahr gewarnt wurde, kritisierte Foodwatch. Demnach informierte Österreich die anderen EU-Länder am 22. Jänner über die Gefahr des Käseverzehrs. Lidl Deutschland habe erst am 16. Februar eine eindringliche Warnung herausgegeben und das baden-württembergische Verbraucherministerium habe zu keinem Zeitpunkt mit eigenen Informationen vor der akuten Gesundheitsgefahr gewarnt, lautet der Vorwurf, den sowohl die Behörde als auch der Discounter laut dpa zurückwiesen. Nach Angaben von Foodwatch hat ein Hesse noch Ende Jänner den von Lidl nur in Deutschland vertriebenen Käse verzehrte. Die Person sei erkrankt, am 11. Februar in ein Krankenhaus eingeliefert worden und gestorben.

Keine Stellungnahme zu Klagen

Bei Prolactal sei noch von keiner deutschen Staatsanwaltschaft eine Anzeige eingegangen, erklärte Harald Schiffer, Sprecher des Unternehmens am Freitag. Bezüglich der angekündigten Klagen der AK sowie vom VKI wollte das Unternehmen keine Stellungnahme abgeben. Eigene Nachforschungen werden seit Aufnahme der polizeilichen Ermittlungen keine mehr geführt, da alle relevanten Unterlagen bei der Exekutive lägen, so Schiffer.

Die Quargelproduktion im Werk in Hartberg ist weiterhin eingestellt. Die 25 Mitarbeiter der Abteilung seien in Urlaub, haben andere Aufgaben zugewiesen bekommen oder wurden gekündigt. Die Wiederinbetriebnahme der Käseprodukte sei fraglich, so Schiffer. Sie habe jedoch nur rund zwei Prozent der Gesamtproduktion im Hartberger Standort ausgemacht. Bei den übrigen, nicht betroffenen 98 Prozent handle es sich um Trockenwaren für die Lebensmittelindustrie.

In Deutschland konnten drei Todesfälle mit dem belasteten Käse in Verbindung gebracht werden, in Österreich waren es laut AGES (Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) fünf im Jahr 2009. Insgesamt erkrankten im Vorjahr 13 Menschen, heuer wurden zwölf Infektionen gemeldet. Seit 15 April gab es keine neuen Fälle mehr. (APA)