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Zwei von Drei Lehrern kommen zumindest einmal wöchentlich wegen des Unterrichts in Stimmnöte.

Foto: AP/Matthias Rietschel

Malaga/Saarbrücken (pte/21.05.2010/13:55) - Stimmprobleme wie etwa Heiserkeit sind noch immer eine Lehrerkrankheit und treten oft im Zusammenhang mit psychischen Nöten auf. Das schreiben Forscher der Universität Malaga in der Fachzeitschrift "Folia Phoniatrica et Logopaedica". Die Untersuchung von 300 Volksschullehrern zeigte, dass 62,7 Prozent dieser Gruppe täglich oder zumindest wöchentlich wegen des Unterrichts in Stimmnöte kommen. "Wir wollten neben den Stimmproblemen auch deren psychosoziale Dimension aufzeigen", berichtet Studienleiterin Rosa Bermudez.

Die Lehrer berichteten weit eher von beruflichen Konflikten außerhalb des Klassenraums, wenn sie von Stimmproblemen betroffen waren. Sie empfanden etwa mehr Unsicherheit in ihren Aufgaben, mehr Rollenkonflikte und weniger Anerkennung ihrer Arbeit. Zudem war es auch um die soziale Unterstützung von Kollegen und Vorgesetzten und um Kontrolle und Einfluss über eigene Entscheidungen schlechter bestellt. "Lehrer mit häufigen Stimmproblemen schätzten auch die Führungsqualität ihrer Vorgesetzten schlechter ein", so die Forscher.

Heiserkeit beschäftigt die Psyche

"Stimme beschränkt sich nie nur auf den Körper, sondern hängt eng mit Stimmung zusammen", erklärt Norbert Gutenberg, Sprechwissenschaftler an der Universität des Saarlandes. Wer Stimmprobleme hat, sei meist mit sich selbst nicht im Reinen. "Erlebt ein Lehrer, dass ihm vor der Klasse die Stimme nicht gehorcht, kann er die nötige Kommunikationsleistung nicht erbringen. Entgleist er in Schreitöne, wird das für Schüler unanhörbar und sie schotten sich ab. Das beschäftigt Lehrer auch psychisch." Die Frage nach Ursache und Konsequenz sei allerdings das typische Henne-Ei-Problem.

Teils sind Ursachen allerdings auch in schlechten äußeren Bedingungen zu suchen. "Die meisten Klassenzimmer haben eine schlechte Akustik. Am besten wären schallschluckende Wänden, die den Hall rückender Stühle unterbinden", so der Stimmforscher. Die Unterrichtsmethode spiele mit, da in der Oberstufe das Problem vor allem mit dem noch immer üblichen Frontalunterricht zusammenhängt. In der Volksschule ist die größte Herausforderung die altersgemäße Unruhe der Kinder.

Stimmtraining angehende Lehrer

Die Stimme ist eine physische Leistung von Muskeln, die mit der Zeit ermüden. "Callcenter-Mitarbeiter können problemlos acht Stunden lang reden, solange sie die Stimme richtig einsetzen. Ein Lehrer muss jedoch meist wesentlich lauter sprechen. Deshalb wurden Stimmprobleme früher als Lehrerkrankheit bezeichnet", so Gutenberg. In 20 Jahren Sprecheignungstests Deutsch bei Saarländer Lehramtskandidaten sei das Ergebnis bei 40 Prozent die Empfehlung einer Therapie oder Operation beim Phoniater oder die Prognose zukünftiger Stimmprobleme.

Ideal wäre für Gutenberg ein vorbeugender Ansatz. "Erhebungen zeigen, dass allein im Saarland jährlich mindestens 11.000 Unterrichtsstunden wegen Stimmproblemen ausfallen. Könnte man durch Stimmtraining in der ersten Phase der Lehrerausbildung diese Fälle bloß um die Hälfte reduzieren, wären die Kosten für diese Maßnahme bereits herinnen." Realisieren könnte man das schon mit einer Screening-Prognose per Anrufbeantworter, auf dem Teilnehmer fünf Minuten lang sprechen. "Bisher fehlt es aber an Mitteln für das Personal", klagt Gutenberg. (pte)