Hans Niessl erläutert, was ein "Sicherfühlland" ist und warum ihn der häufige mediale Vorwurf, ein übler Populist zu sein, eher ungerührt lässt.

Foto: Regine Hendrich

Standard: Zweimal haben Sie schon für ziemliche Überraschungen gesorgt. 2000, mitten im Bank-Burgenland-Strudel, als Sie überhaupt Landeshauptmann wurden. 2005, als Sie die 1987 verlorene Absolute schafften. Worauf sollen wir uns diesmal einstellen?

Niessl: Es wird für all jene eine Überraschung geben, die meinen, dass es keine klaren Verhältnisse im Burgenland gibt.

Standard: Sie hoffen also nicht nur, sondern rechnen mit der Verteidigung der absoluten Mehrheit?

Niessl: Ja, das wird im Burgenland der Fall sein.

Standard: Das Burgenland steht eigentlich ganz gut da, Sie könnten einen klassischen Landesvater-Wahlkampf führen. Tatsächlich steht die Sicherheit im Mittelpunkt. Warum?

Niessl: Weil die Sicherheit für die Menschen sehr wichtig ist. In vielen Bereichen ist das Burgenland ja auch sicher. Bei den Feuerwehren, den Rettungsorganisationen. Aber wir haben zu wenig Polizisten. Deshalb hat es ja den Rachefeldzug der Innenministerin gegen das Burgenland gegeben, weil ich immer wieder kritisiert habe, dass 300 Polizisten fehlen. Bis 2013 sogar 500.

Standard: Die Vehemenz, mit der Sie gegen Innenministerin Fekter in Stellung gehen, wird allgemein als populistisch wahrgenommen. Sind Sie ein Populist?

Niessl: Wenn man die Sorgen der Menschen ernst nimmt, und das wird dann als Populismus bezeichnet, so kann ich damit leben.

Standard: In den meisten Medien werden Sie ziemlich zerzaust. Das "Profil" schreibt: "Der höchste Landespolitiker verbreitet populistische Angstparolen, die sonst nur aus der FPÖ zu hören sind." Stört Sie so was?

Niessl: Überhaupt nicht. Denn ich weiß, dass beim Thema Sicherheit 95 Prozent der Bevölkerung auf meiner Seite sind. Warum soll ich mich dann ärgern, wenn jemand, der in Wien sitzt, negativ übers Burgenland berichtet? Für mich ist es die beste Werbung, wenn Derartiges geschrieben wird.

Standard: Solche Einschätzungen sind Rückenwind im Wahlkampf?

Niessl: Absolut. Jeder weiß, dass Sicherheit im Burgenland ein wichtiges Thema ist. 86 Prozent der Leute wollen den Assistenzeinsatz.

Standard: In Ihrem Wahlkampf ist ein diesbezüglich neues Wort aufgetaucht: Sicherfühlland. Was soll das sein, so ein Sicherfühlland?

Niessl: Sicherfühlland ist für die Burgenländer und Burgenländerinnen sehr wichtig, aber auch für die Touristen. Denn ein Land, in dem man sich sicher fühlt, ist ein ideales Urlaubsland. Da haben wir schon sehr gute Strukturen. Handlungsbedarf gibt's bei zusätzlichen Polizisten. Kommen die, dann ist das Burgenland noch besser aufgestellt als Sicherfühlland.

Standard: Ihr Streit mit Maria Fekter bringt Unruhe in die Bundesregierung. Eine Regierung, die mit dem Faymann-Slogan "Genug gestritten" angetreten ist. Hat es da je Gegenwind aus Ihrer Partei gegeben?

Niessl: Überhaupt nicht. Es sagt ja auch Michael Häupl, dass 1000 Polizisten fehlen. Der Wiener Bürgermeister stellt also die gleiche Forderung.

Standard: Gegen Sie wird staatsanwaltlich ermittelt, weil Sie mit Landesgeld Parteiwerbung betrieben hätten. Sind Sie schon einvernommen worden?

Niessl: Nein. Es ist interessant, dass vor einem halben Jahr eine Anzeige erfolgt ist, dann ist nichts passiert, und mit dem Wahlauftakt der ÖVP wurde bekanntgegeben, dass hier Ermittlungen geführt werden. Ich habe auch gehört, dass es eine eigene Sonderkommission gibt wegen der 15.000 Euro, die da geschaltet wurden. Für mich ist das ein weiterer Rachefeldzug der Innenministerin, nachdem sie die Polizisten nicht nachbesetzt und in dem kleinen Eberau ein Erstaufnahmezentrum errichten wollte.

Standard: Rechnen Sie mit einer baldigen Einvernahme? Das wäre ja kein unlogischer Schritt.

Niessl: Vielleicht lässt sich die Innenministerin ja Zeit bis kurz vor der Wahl, um diesen Rachefeldzug weiter fortzusetzen.

Standard: Die neue Vorzugsstimmenregelung - Vorzugsstimme sticht Parteistimme - sorgt für Verwirrung. Viele glauben, dass echtes Stimmen-Splitting möglich ist. Ist das wenig kommuniziert worden?

Niessl: Das wird jetzt kommuniziert. Je näher die Wahl, desto aufmerksamer die Menschen.

Standard: Die Wahlrechtsreform ist der Rest der gescheiterten Verfassungsreform. Wenn es sich ausgeht: Wird der Proporz gleich nach der Wahl abgeschafft?

Niessl: Ja, ich möchte nämlich verhindern, dass so wie bisher eine Partei in der Regierung sitzt und Opposition betreibt. Sollte das so weitergehen, dann werde ich das nicht aufrechterhalten. (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, Printausgabe, 22.5.2010)