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Griechenland und Euro beeinflussen Zukunftsängste derzeit am meisten.

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Wien - Die skurrilste Erklärung, warum Menschen um ihr Geld fürchten, ist Anton Scharnagl untergekommen: 2012 werde der ultimative Finanzcrash kommen, und das habe mit einer ungünstigen Sternenkonstellation "oder so was" zu tun. - "Die Leute sitzen zusammen und reden halt viel" , sagt Scharnagl von der Wiener Vermögens- und Immobilientreuhand AS&P. "Jeder hat Angst, dass das Geld weniger wird."

Gerne reden die Menschen übers Geld sowieso - und in Zeiten wie diesen besonders. Wirtschaftspsychologen wissen, dass Personen nicht rational entscheiden, sondern dann ihre Einschätzung an der anderen Person spiegeln. "Die Menschen entscheiden eben nicht wie der Homo oeconomicus" , erklärt Elfriede Penz, Professorin am Institut für Internationales Management an der Wirtschaftsuniversität Wien. Soll heißen: Eine Situation wird entweder als Chance begriffen, Verluste zu verhindern, oder als Möglichkeit gesehen, Gewinne zu machen.

Pendel schlägt in die andere Richtung aus

"Framing" nennen die Wirtschaftspsychologen das. Nachdem viele Jahre Gewinne ganz oben auf der Prioritätenliste standen und Anleger auch bereit waren, dafür Risiken einzugehen und Schwankungen wegzustecken, schlägt das Pendel nun in die andere Richtung aus: "Kapitalabsicherung und -erhaltung steht an oberster Stelle", beobachtet Christian Ohswald, Leiter Private Banking bei der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien AG. In Österreich sind Inflationsängste besonders häufig und ausgeprägt. Ältere Herrschaften haben nach wie vor in Erinnerung, wie sie im Zweiten Weltkrieg, bei den Währungsreformen und der hohen Inflation davor ihr Erspartes verloren haben. "Man muss da schon darauf hinweisen, dass die 30er-Jahre des vorigen Jahrhunderts nicht mit 2010 vergleichbar sind" , sagt Wolfgang Traindl, Leiter Private Banking der Erste Bank.

Die Umschichtung hin zu konservativen Portfolios ist voll im Gange - wobei die Banker meinen, dass betuchte Klientel diese Neuausrichtung bereits im Laufe von 2008 abgeschlossen hätte. Vermögen seien häufig wieder nach der guten alten Drittelregel aufgestellt: Ein Drittel Cash (plus Anleihen/Aktien), ein Drittel Gold (plus Rohstoffe) ein Drittel Immobilien. "Die wilden Wertschwankungen machen die Leute ja nur mürbe" , meint Ohswald.

Herdenverhalten

Das Überschießen von Anlegerängsten wird durch eine aufgeregte Berichterstattung angeheizt. "Wenn da vom Tod des Euro getitelt wird, schürt das Ängste", sagt Penz.

Herdenverhalten spiele auch da eine Rolle, vergleicht man sich doch mit seinen Bezugsgruppen. Anleger vergleichen sich mit ähnlichen Anlegern (gleiche Ziele, ähnlicher Bildungsstand), die ähnliche Einstellungen, Wertvorstellungen und Fähigkeiten haben. Bei kritischen Situationen orientieren sie sich dann gegenseitig, um das persönliche Risiko (auch: Gesichtsverlust, Verlust von Selbstvertrauen) zu reduzieren. Oder, wie Ohswald es bezeichnet: "Ein bisserl ist es die kollektive Lust am Gruseln." (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22./23./24.5.2010)