Addis Abeba - Kurz nach Beginn der Parlamentswahl in Äthiopien hat die Opposition am Sonntag Manipulationsvorwürfe erhoben. Der Oppositionsblock Medrek werde das Wahlergebnis deswegen vermutlich nicht anerkennen, sagte ein Sprecher. Wahlbeobachter von Medrek seien festgenommen oder eingeschüchtert worden, und in anderen Wahllokalen seien Wahlberechtigten Stimmzettel verweigert worden, sagte Negasso Gidada.
Es wird erwartet, dass sich die Revolutionäre Demokratische Front der Äthiopischen Völker (EPRDF) von Ministerpräsident Meles Zenawi (55) bei der Parlamentswahl ein weiteres Mal die Mehrheit sichert. Die Opposition fürchtet vor allem eine Wiederholung der Ereignisse bei der jüngsten Wahl im Jahr 2005, als rund 100 Dissidenten verhaftet wurden, weil sie das Ergebnis angezweifelt hatten. Bei Demonstrationen im Anschluss an die Wahl kamen 193 Menschen ums Leben.
Zelawi gab seine Stimme am Sonntagvormittag in seinem nordäthiopischen Geburtsort Adwa ab. Der Konvoi des Regierungschefs wurde von zahlreichen Anhängern mit Applaus begrüßt. In Zelawis Heimatregion Tigray gibt es erstmals seit 1991 oppositionelle Konkurrenz für die Regierungspartei EPRDF. Die Opposition schickt bei der Parlamentswahl eine entfernte Verwandte Zelawis, Aregash Adane, gegen den Regierungschef ins Rennen.
Aus der Oppositionshochburg Oromiya wurde berichtet, dass Medrek-Wahlbeobachter erst zweieinhalb Stunden nach Abstimmungsbeginn in die Wahllokale gelassen wurde. "Niemand weiß, was zwischen 6.00 und 8.30 Uhr passiert ist. Es hätte Wahlbetrug geben können", sagte Oppositionskandidat Worku Feyira. Ein Vertreter der Wahlkommission wies den Vorwurf zurück.
Die Partei des seit 1991 regierenden Ministerpräsidenten bestreitet, dass die Opposition unterdrückt wird und erklärt, deren Kandidaten hätten einen freien Wahlkampf führen können. Allerdings wurden zwei Wahlkämpfer der Opposition unter ungeklärten Umständen getötet. Am Donnerstag, dem letzten Tag des Wahlkampfs, hatten führende Mitglieder von Medrek erklärt, Funktionäre der Regierungspartei hätten Wähler unter Druck gesetzt, eine Verpflichtung zur Stimmabgabe in ihrem Sinne zu unterzeichnen. Außerdem hätten die sie mehrere Stimmkarten an dieselben Personen ausgegeben.
Der Vorsitzende der Wahlbehörde erklärte am Samstag, die Abstimmung werde fair und transparent verlaufen. Die Wahlberechtigten sollten sich "benehmen" und das Ergebnis anerkennen, sagte Merga Bekana. Die Regierungspartei hat Wirtschaftswachstum und die Entwicklung der Landwirtschaft in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfs gestellt. Medrek-Sprecher Negasso sieht den Hauptzweck der Wahl darin, dem Ausland eine funktionierende Demokratie vorzugaukeln, um sich die weitere Unterstützung der Geberländer zu sichern.
32 Millionen Wahlberechtigte sind noch bis 18.00 Uhr aufgerufen, die 547 Mandate im äthiopischen Parlament zu besetzen. Die Regierungspartei EPRDF tritt mit 521 Kandidaten an, das Oppositionsbündnis Medrek mit 421 Bewerbern.(APA/apn/AFP/Reuters)