Am Porsche 911 wird seit 47 Jahren herumgebessert und am Design gefeilt, sodass er bereits bei lebendigem Leib zur Legende geworden ist. Der Turbo spielt hier eine besondere Rolle. 1974 gab es zum ersten Mal einen aufgeladenen 911er, der somit das erste aufgeladene Serienauto überhaupt war, mit gelinde gesagt bedenklichen Fahrmanieren durch überfallsartig einsetzenden Turbolader und ebenso überfallsartig hochschnellenden Verbrauch.

Foto: Rudolf Skarics

Heute steht der Turbo an der Spitze der 911er-Palette, ist sozusagen das Dickschiff in der durchwegs schlanken Modellreihe, die auch immer durch besonders leichte Versionen glänzt. Dies sei erwähnt, um klarzustellen, dass sich der Turbo charakterlich ganz erheblich etwa von einem deutlich leichteren GT3 unterscheidet, auch wenn man das von außen nur als Experte gleich sieht.

Der Turbo ist also der Muskelmann, zieht seine Souveränität aus der Logik "Mit voller Hose ist leicht ...". Was heißen soll: Recht viel mehr Sportwagen ist kaum möglich, es sei denn, man bestellt den Turbo S mit noch 30 PS mehr. Aber lassen wir das.

Foto: Guido Gluschitsch

Es kann durchaus vergnüglich sein, mit einem Auto zu fahren, das in weniger als vier Sekunden 100 km/h erreicht und selbst jenseits unseres Autobahnlimits noch satanisch anreißt. Als besonders gelungenes Element erweist sich dabei das PDK, das Porsches-Doppelkupplungs-Getriebe, das uns völlig von irdischem Getrieberühren befreit. Diese automatische Schalteinheit ist so hochintelligent, dass sich jegliches Herumschisteln mit den Schaltpaddels von vornherein erübrigt. 

Dank des Allradantriebs übernimmt bei Bedarf die Vorderachse zusätzliche Traktionsaufgaben, sodass die 500 PS ganz gut über den Asphalt verteilt werden können, wenngleich eine goldene Regel zu beachten ist: Volles Reinlatschen ins Gaspedal ist nur bei geradeaus gerichteten Vorderrädern zu empfehlen, weil dir sonst die Regelsysteme (Stichworte Beißkorb und Leine) ziemlich unelegant klarmachen, dass du eigentlich ein Trottel bist, der ohne deren spontanen Einsatz die Fahrbahn vom Straßengraben aus betrachten könnte.

Foto: Rudolf Skarics

Ein reifer Charakter ist ganz besonders beim Überholen unabdingbar. Denn was man in der Euphorie übersehen könnte: Geschwindigkeitszuwachs ist immer relativ, und eigentlich beschleunigt ja auch der Gegenverkehr, wenn man aufs Gas steigt.

Ob Turbo oder eine andere Version, eines muss immer wieder betont werden: Der 911er ist einer der ganz wenigen Supersportler, die neben den Leistungssuperlativen auch die strengen Qualitätskriterien eines Großserien-Premiumwagens erfüllen. Wollten Sie nicht noch was über den Verbrauch wissen? Ein bisserl über zwölf Liter, und aus. (Rudolf Skarics/DER STANDARD/Automobil/21.5.2010)

Foto: Rudolf Skarics

ZWEITE MEINUNG

Diejenigen, die das Geld für einen 911er Turbo haben, sind nicht unbedingt in der Verfasstheit und dem Alter, das Auto ständig oder auch nur regelmäßig an seinen Möglichkeiten fahren zu wollen. Sie wollen Porsche, und zwar gleich Turbo, wollen es in der Regel aber kommod und Alltag. Das kann dieser 911er. Er kann aber ganz anders auch, richtig böse und Rennstrecke nämlich, wenn es sein soll. Dieser Spagat macht den Wert und die Größe aus, der 911 Turbo deckt die gesamte Bandbreite zwischen Prestige und Spaß und Können ab. Und er ist ehrlich sehr schnell, das sollte man notfalls können auch. (Michael Völker/DER STANDARD/Automobil/21.5.2010)

Foto: Rudolf Skarics