Der Rechnungshofbericht wirft kein gutes Licht auf die Arbeit von ÖBB-Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker und einigen seiner Kollegen. Ministerin Bures will dennoch nicht an ihren Sesseln rütteln.

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Wien - Der vernichtende Rohbericht des Rechnungshofs (RH) bleibt offenbar ohne Konsequenzen in der ÖBB. Wiewohl die staatlichen Buchprüfer bei Abschluss und Aufarbeitung der Spekulationsgeschäfte im Volumen von 612,9 Millionen Euro schwere Verfehlungen gemäß Aktiengesetz feststellten und dem aus Peter Klugar, Gustav Poschalko und Josef Halbmayr bestehenden ÖBB-Holding-Vorstand bei Vorlage des Rohberichts im Februar 2010 eine Klage ("Prüfung der Organhaftung") des Aufsichtsratspräsidiums empfehlen, bleibt die RH-Kritik ohne Folgen.

Im Gegenteil, Verkehrsministerin Doris Bures will die Causa offenbar aussitzen. Sie will die Mandate der vom RH teils massiv kritisierten Kapitalvertreter im ÖBB-Aufsichtsrat in der Hauptversammlung morgen, Mittwoch, sogar um eine weitere Funktionsperiode verlängern.

Im Verkehrsministerium begründet man dies auf Standard-Anfrage so: Das aus Ex-Porr-Chef Horst Pöchhacker, Rechtsanwalt Eduard Saxinger und Fruchtsafthersteller Franz Rauch bestehende Aufsichtsratspräsidium der ÖBB-Holding habe für die - vom RH ob unangemessen hoher Abfindungszahlungen beanstandete - vorzeitige Ablöse der ÖBB-Holding-Vorstandsmitglieder Martin Huber und Erich Söllinger zwei Gutachten eingeholt und sich nichts zuschulden kommen lassen.

"Grobe Pflichtverletzungen"

Der RH sieht das diametral anders - der Standard berichtete exklusiv. Das Präsidium des Aufsichtsrats "unterließ es, das allfällige Vorliegen von groben Pflichtverletzungen und damit eines Abberufungsgrundes eingehend zu untersuchen, obwohl im eigens beauftragten Gutachten einer Wirtschaftsprüfungskanzlei bzw. eines Universitätsprofessors hinreichend Gründe dafür enthalten waren", schreibt der RH in seinem Rohbericht, der dem Standard vorliegt. Huber und Söllinger hätten die Berichtspflichten an den Aufsichtsrat "durch Verschweigen risikoreicher Finanzgeschäfte" grob verletzt und dafür vom Aufsichtsratspräsidium auch noch "unangemessene Abfindungen" (Bonifikationen, obwohl die ÖBB 2008 wegen der Hybrid-CDO 970 Mio. Euro Verlust geschrieben hat, freiwillige Abfertigungen und Konsulentenvertrag) bekommen. Diese "großzügigen Abgeltungen" qualifiziert der RH als "sorgfaltswidrig"; sie stellten eine Voraussetzung für eine Organhaftung der Mitglieder des Präsidiums dar.

Auch das vom RH zitierte Gutachten des Wirtschaftsprüfers Deloitte vom 31. März 2008 attestiert zahlreiche Verfehlungen des damaligen ÖBB-Holding-Vorstands: Der Aufsichtsrat sei nicht oder nur unvollständig informiert worden, die mit der Deutschen Bank geschlossenen CDO seien laut Satzung zustimmungspflichtig gewesen. Der Vorstand hätte im Februar 2008, als längst alle Risiken bekannt gewesen seien, noch immer nicht über einen Ausstieg aus dem kaum beherrschbaren Finanzgeschäft verhandelt, obwohl der am 29. Februar 2008 nur 231 Mio. Euro gekostet hätte. Zum Vergleich: Anfang 2010 schlug der Ausstieg mit 295 Millionen Euro zu Buche.

Das bei Europarechtsexperte Franz Zehetner von der TU Wien eingeholte Gutachten listet ebenfalls gravierende Fehlleistungen des ÖBB-Managements auf, stellt aber einen Persilschein dar. Die Derivatgeschäfte stellten demnach eine "nicht gewollte Transaktion" dar, die der ÖBB-Finanzabteilung mangels Produktverständnis "passiert sei", daher seien Konsequenzen nicht erforderlich.

"Personen mit Erfahrung"

Auf eine Stellungnahme zum RH-Rohbericht hat das Ministerium übrigens verzichtet. Da der RH seinen abschließenden Bericht fast fünf Monate nach Ende der Prüfung dem Parlament noch immer nicht zugeleitet hat, kann Bures die Zeit bis dahin nützen, um die Mandate des ÖBB-Holding-Aufsichtrats zu verlängern. Es sei wichtig und richtig, "Personen mit viel Erfahrung in den Gremien zu haben", heißt es im Ministerium. Tauscht die ÖVP die von ihr nominierten Vertreter nicht aus, bleiben Pöchhacker Vorsitzender, Rauch dessen Vize, Herbert Kasser (Generalsekretär im Verkehrsministerium) und Nationalratsabgeordneter Kurt Eder (OMV) als weitere stellvertretende Vorsitzende in der Holding-Aufsicht. Einfache Mitglieder bleiben Maria Kubitschek (Arbeiterkammer), Anwalt Leopold Specht, Christian Teufl (Leipnik-Lundenburger Invest Beteiligung AG) und Paul Blumenthal (ehemals SBB). Anwalt Eduard Saxinger hatte seine Mandate in ÖBB und Asfinag bereits Anfang Mai zurückgelegt.

Ein Sesselrücken steht hingegen in den Aufsichtsräten von ÖBB-Personenverkehr, Rail Cargo Austria und ÖBB-Infrastruktur an. In den Hauptversammlungen am 7. Juni sollen dort jeweils die neuen ÖBB-Holding-Vorstandsdirektoren Christian Kern, Franz Seiser und Josef Halbmayr einziehen. Kern soll in den Absatzgesellschaften den Vorsitz übernehmen, Seiser in der Infrastruktur. Da Bures die Zahl der Kapitalvertreter mit jeweils acht begrenzen und den Frauenanteil erhöhen will, werden einzelne Mitglieder die Aufsichtsratsgremien verlassen müssen.(Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.5.2010)