Das Stück Rechnitz von Elfriede Jelinek, jetzt bei den Wiener Festwochen, erinnert daran, wozu der Mensch von nebenan fähig ist.

In den letzten Kriegstagen 1945, als die Russen im südlichen Burgenland nur noch wenige Kilometer entfernt waren, fand im Schloss Rechnitz eine "Untergangsparty" statt. Die Hausherrin war Gräfin Batthyány-Thyssen. Auf dem Höhepunkt des Festes machten sich einige NS-Funktionäre, SS-Angehörige (darunter der Lover der Gräfin) und sonstige Volksgenossen zum sogenannten Kreuzstadel auf und veranstalteten dort ein Massaker unter ungarischen Juden, die von Budapest heraufgetrieben worden waren. Die Gräfin war offenbar nicht direkt beteiligt.

Die rund 180 Toten wurden verscharrt, über ihrem Grab steht vermutlich heute ein Gebäude. Intensive Suchversuche seitens Bundes- und Landesregierung hat es nicht gegeben. Tatzeugen fanden nach dem Krieg rätselhafte Tode. Um das Andenken kümmert sich ein Verein des Pianisten Paul Gulda. Die Nachfahren eines heldenhaften Ehepaares, das Juden versteckt hatte, wurden vor zwei Jahren geehrt.

Der Punkt bei alledem ist: Rechnitz war nicht allein. Solche Massaker unmittelbar vor dem Kriegsende fanden auch in der Steiermark (Präbichl), Niederösterreich (Hainburg, Hadersdorf) statt. Volkssturm und Hitlerjugend, Bürger von nebenan erledigten noch eine Fleißaufgabe der Bestialität in letzter Minute. (Hans Rauscher/DER STANDARD, Printausgabe, 25.05.2010)