Ein Gesetz zur Einschränkung der Abhörvollmachten der Justizbehörden versetzt Italiens Medienwelt in Aufruhr. 26 Chefredakteure der prestigereichsten Zeitungen, Nachrichtenagenturen und TV-Tagesschauen haben ein Dokument unterzeichnet, in dem sie vor den Gefahren für die Medienfreiheit warnen, sollte in Italien das umstrittene Gesetz verabschiedet werden, das in der Nacht auf Dienstag von der Justizkommission des Senats verabschiedet wurde. Demnach dürfen Medien nicht über laufende Ermittlungen informieren, bis es zu einer ersten Gerichtsverhandlung kommt, was in Italien wegen des Schneckentempos der Justiz zwischen drei und zehn Jahren dauern kann, protestierten die Chefredakteure.

Haft

Journalisten müssen mit Haftstrafen von bis zu zwei Monaten rechnen, wenn sie die Inhalte von Dokumenten über die Ermittlungen auch nur in Form einer Zusammenfassung vor der ersten Gerichtsverhandlung vor dem Untersuchungsrichter veröffentlichen. Dieselben Strafen gelten, wenn die Protokolle abgehörter Telefongespräche veröffentlicht werden. Medienverlegern bzw. Herausgebern drohen Strafen bis zu 464.700 Euro, sollten sie Protokolle von Lauschangriffen abdrucken.

Zu den weiteren Maßnahmen, die bereits von der Justizkommission des Senats verabschiedet wurden, zählt ein Verbot für TV-Aufnahmen von Prozessen. Strafen zwischen sechs Monaten und vier Jahren Haft drohen, wenn Gespräche aufgenommen und deren Inhalt auf illegale Weise verwendet wird.

"Dieser Gesetzesentwurf schränkt die Medienfreiheit ein. Bürger werden künftig nichts mehr über wichtige Untersuchungen erfahren können, inklusiv jene, die die Mafia betreffen. Damit wird das Recht der Bürger beschnitten, informiert zu werden. Dabei hängt von diesem vitalen Recht die Demokratie im Land ab", hieß es im Appell der Chefredakteure.

Im Besitz der Familie von Regierungschef Silvio Berlusconi

Das Dokument wurde übrigens auch von Vittorio Feltri, Chefredakteur der rechten Tageszeitung "Il Giornale", unterschrieben, die im Besitz der Familie von Regierungschef Silvio Berlusconi steht.

Die Chefredakteure erklärten sich bereit, einen Einspruch gegen das Gesetz beim Europäischen Gericht für Menschenrechte in Straßburg einzulegen. Das Gesetz stelle eine Anomalie auf europäischer Ebene dar. Auf einen Streik wollen die Journalisten vorerst verzichten. 160.000 Personen unterzeichneten inzwischen einen Appell gegen das Gesetz. Die Unterschriften werden im Internet gesammelt.

Der italienische Justizminister Angelino Alfano bekräftigte die Notwendigkeit, die Lauschangriffe durch die Staatsanwälte einzuschränken. Ein großer Teil der Bevölkerung werde abgehört, und diese hohe Zahl sei absolut ungerechtfertigt, sagte Justizminister Angelino Alfano. 120.000 Telefongespräche ließen Staatsanwälte letztes Jahr abhören.

Der Vizepräsident des Obersten Richterrats CSM Nicola Mancino warnte, dass die Lauschangriffe von den Staatsanwälten im Rahmen ihrer Ermittlungen weiterhin verwendet werden müssten. "Man muss die Lauschangriffe aufgrund der Ermittlungsbedürfnisse regeln können", meinte Mancino. (APA)