Selbst eingefleischte Gegner/innen der SPÖ-Regierungsbeteiligung und misstrauische Faymann-Kritiker/innen sind derzeit verdutzt. Bis vor kurzem war das Misstrauen noch wasserdicht, selbst die jüngste Präsentation des Sieben-Punkte Programms zur Vermögensbesteuerung nahm man dem Kanzler nicht ab. Faymann bediene sich nur jener Phrasen die derzeit gut ankämen, er werde sich aber nicht ernsthaft für Vermögenssteuern einsetzen, so führende rote Ökonom/innen. Mit der Initiative zur Finanztransaktionsteuer und den letzten erfreulichen Auftritten in ZIB2 und Ö1-Mittagsjournal wird aber auch der gelernte SP-Fatalist langsam stutzig. Gibt's derzeit nichts zu sudern?

Besonders erfreulich ist der Faymann-Vorstoß aus europapolitischer Sicht, vor allem, weil nach dem Krone-Brief und dem sonstigen Desinteresse des Bundeskanzlers in Europafragen eine solche Initiativkraft am wenigsten zu erwarten war. In Kooperation mit der deutschen Schwesterpartei zeigt Faymann Engagement auf dem europäischen Parkett. Noch dazu für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, also in eine politische Stoßrichtung, die von europafreundlichen Vollblut-Sozis immer gefordert wurde: Europa nicht nur als Selbstzweck zu betrachten, sondern auch als Mittel zum Zweck - als Vehikel zur Durchsetzung einer Politik im Interesse der großen Bevölkerungsmehrheit. Es geht um die politisch richtige Finanztransaktionssteuer, bei deren Zustandekommen die Menschen noch dazu an Europa demokratisch teilhaben können. Nur so wird die Akzeptanz der EU zu steigern sein.

Die Initiative mit dem europaweiten Volksbegehren, also mit einem der neuen Instrumente des Vertrags von Lissabon zu unterfüttern, ist fast schon elegant. Viele kritische Sozialdemokrat/innen sagen, sie würden es nicht anders machen.

Zu hoffen bleibt, dass die Sozialdemokratie überdies die aktuellen Gefahren erkennt und benennt. Es gibt Versuche, die Krise des finanzgetriebenen Kapitalismus in eine Krise des Sozialstaates umzudeuten. Auch ist man bemüht, die Auseinandersetzung "Bevölkerung gegen Finanzeliten" durch die Konfrontation "Nordeuropa gegen Südeuropa" zu verdrängen. Die SP-Führung wäre gut beraten, sich jedem nationalen Populismus radikal entgegenzustellen, die EU-Solidarität zu betonen und alle Versuche, sozial Schwache, Arbeitslose und Migranten als Sündenböcke darzustellen, mit aller Kraft abzuwehren. Prinzipiell scheint die SPÖ diesbezüglich auf dem richtigen Dampfer, es fehlt vielleicht noch ein bisschen an Selbstbewusstsein und Entschlossenhe. (DER STANDARD, Printausgabe, 26.5.2010)