Bild nicht mehr verfügbar.

Drogenboss und Held der Armen: Christopher "Dudus" Coke.

Foto: AP Photo/The Jamaica Gleaner

Er gilt als der "würdige" Nachfolger seines im Gefängnis verstorbenen Vaters. Und von seiner Hochburg Tivoli Gardens in Kingston steuert er seit 1990 ein weit in die amerikanischen Städte hineinreichendes Drogennetzwerk mit so sicherer wie unnachgiebiger Hand: Christopher "Dudus" Coke (41) zählt für die US-amerikanischen Justizbehörden zu den weltweit gefährlichsten Bossen im Drogen- und Waffenhandel. Über 1400 Morde sollen auf das Konto seiner Killer gehen.

Und es ist keineswegs übertrieben, wenn jene Polizisten, die versuchen, des gefährlichsten Mannes auf der Reggae-Insel habhaft zu werden, von "Krieg" sprechen: Der Griff - und die Suche - nach dem Drogenbaron gleichen einem Feldzug in feindliches Gebiet.

Denn "Dudus" hat in Jamaika ein Image, das jenem von Robin Hood - aber auch Al Capone - ähnelt: Für die Armen ist er ein Held, der als großzügiger Pate auftritt, Bedürftige unterstützt, Arztbesuche bezahlt und Schulspeisungen durchführen lässt. Eine als korrupt geltende Staatsmacht, die nach so einem Mann ihre Hände ausstreckt, muss mit Widerspruch und Widerstand rechnen - ungeachtet der Tatsache, dass unbestritten ist, dass Coke Chef eines internationalen Drogenkartells ist, das mit Marihuana, Kokain und Crack Millionen umsetzt.

Dass die paramilitärische Truppe in seinem Rücken den beinahe comicaft anmutenden Namen "The Shower Posse" führt, darf dabei nicht irreführen: Der Name steht für die Gnadenlosigkeit der jamaikanischen Drogenmafia. Wer sich ihr in den Weg stellt, auf den lassen Coke und seine Getreuen Kugeln regnen.

Die USA wollen Coke schon lange den Prozess machen. Im August wurde er in den USA formal angeklagt. Im Falle einer Verhaftung, Auslieferung und Verurteilung droht lebenslange Haft.

Freilich müsste man seiner dafür zuerst habhaft werden - und Coke zeigt sich nur selten. Darüber hinaus erstreckt sich sein Netzwerk nicht nur auf die Slums: US-Senator Tom Tavares Finson etwa, der Coke noch vor kurzem als Anwalt vertrat, beschrieb ihn in der Zeitung Jamaica Observer als rechtschaffenen Geschäftsmann, der die "Transformation einer von Kriminalität und Gewalt durchsetzten Gesellschaft in einen Ort gemanagt hat, wo Menschen Geld verdienen können". Etliche seiner Unterstützer in den Slums würden für ihn sterben - eine Festnahme könnte sich daher leicht als Funke in einem Pulverfass erweisen. (Thomas Rottenberg/DER STANDARD, Printausgabe, 26. Mai 2010)