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Ein Schiff wird kommen ... Und eine Forschungsstrategie für Österreich bringen. Vor den Alpbacher Technologiegesprächen Ende August ist die Ankunft allerdings nicht zu erwarten.

Foto: REUTERS/Christian Charisius

Österreich brauche dringend eine Forschungsstrategie, um nicht zu einem "Fördersupermarkt" zu verkommen.

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Der Bundesfinanzrahmen bis 2013 ist beschlossen, nun beginnt das Warten auf die konkreten Sparvorschläge, die die Regierung erst im Herbst, also nach den steirischen und Wiener Landtagswahlen enthüllen will. In der Forschungsszene sorgt diese Betulichkeit zunehmend für Nervosität. Zum einen weil den Förderagenturen die vielbeschworene Planungssicherheit fehlt, andererseits weil durch die Evaluierung entblößte Schwachstellen des als fragmentiert und doppelgleisig beschriebenen Fördersystems ihrer Behebung harren.

Wiewohl es in ihrer Hand liegt, den nach monatelangen Beratungen hinter verschlossenen Türen "in den Tiefschlaf gewiegten" Strategiefindungsprozess wieder auf Trab zu bringen, reagieren auch die involvierten vier Fachminister zunehmend "unrund" auf das Wort Forschungsstrategie. Ein Blick in die Anfang März vorgelegte "vorläufige Endfassung" für die "FTI-Strategie" zeigt, warum: Auf 38 Seiten sind wichtige Erkenntnisse und Ziele, vor allem aber jede Menge Dissens und Vorbehalte aufgelistet, die einer politischen Lösung harren. Im Kapitel "Schwerpunktsetzungen" etwa meldete das Finanzministerium Vorbehalt gegen das Postulat "Weiterhin steigende Investitionen des privaten und öffentlichen Sektors in Forschung, Technologie und Innovation (FTI)" an.

Geld oder Strategie

Womit sich die Debatte wieder ums Geld dreht. Dem Argument, Österreich brauche angesichts des rigiden Sparkurses ohnehin keine Strategie, sondern nur eine möglichst effiziente Mangelwirtschaft, um laufende Aktivitäten fortzusetzen, widerspricht Andreas Reinstaller, Innovationsökonom des Wirtschaftsforschungsinstitutes Wifo vehement: "Das ist sicher der schlechteste Zugang. Gerade bei Mittelknappheit ist die Strategie besonders wichtig." Das österreichische Fördersystem brauche dringend Strukturreformen, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen", sagt Reinstaller im Gespräch mit dem STANDARD.

Immerhin laufe man bereits Gefahr, ein "Fördersupermarkt" zu werden, in dem insbesondere große Unternehmen "billig shoppen gehen" könnten. Die Systemevaluierung habe ganz klar aufgezeigt, dass das Programmdickicht entflochten werden müsse, weil es hinsichtlich der Zielgruppen viele Überlappungen gebe. "Die Welt in Österreich ist halt sehr klein", sagt Reinstaller, "so klein, dass die Programmanbieter mittlerweile Gefahr laufen, sich gegenseitig die Kunden wegzunehmen." Von "Programmüberfrachtung" ist auch im Strategiepapier die Rede. Wie die "Etablierung eines gesamthaften FTI-Politikansatzes" vonstattengehen soll, "der die im jeweiligen Kontext effizientesten und effektivsten Instrumente koordiniert zum Einsatz bringt", bleibt das Papier schuldig.

Großes Misstrauen

Den seit Wochen anhaltenden Schlagabtausch zwischen Vertretern der universitären Forschung und der angewandten, wirtschaftsnahen Forschung über den Finanzbedarf des jeweiligen anderen Sektors hält der Wifo-Experte für einen "Ausdruck der Verunsicherung und des Misstrauens - auch weil der Strategieprozess bereits so lang dauert und völlig losgelöst von der Budgetsanierung stattfindet". Dass die Fronten zwischen den Akteuren verhärtet seien, liege wohl am verständlichen Wunsch nach Bestandssicherung.

Tendenziell, meint Reinstaller, bräuchten akut wohl Grundlagenforschungsbereich und Universitäten mehr Geld. Dieses sollte aber keinesfalls ohne sinnvolle Planung von Studienplätzen und Förderungen jenseits des Wissenschaftsfonds FWF erfolgen.

Aber: Mehr Geld für die Unis müsse nicht automatisch Kürzungen bei Unternehmensförderungen oder die Nichterhöhung der Forschungsprämie von acht auf zwölf Prozent bedeuten. Im Gegenteil, bei der generellen Ausrichtung des Steuersystems Richtung Forschung und Innovation gäbe es "enorm viel Spielraum und Potenzial". "Wenn sonst kein Geld vorhanden ist, könnte es zu Veränderung der steuerlichen Regelungen für Unternehmen kommen, sodass die Anreizstrukturen zugunsten von F&E verändert werden. Man könnte überlegen, den Kreis der Nutznießer der Gruppenbesteuerung einzuschränken und dafür die Forschungsprämie zu erhöhen." (Luise Ungerboeck/DER STANDARD, Printausgabe, 26.05.2010)