Zweimal geförderter Wohnbau in Passivbauweise: s&s Architekten entwarfen die Anlage oben für die Sozialbau AG, Feichtinger Architects planten das Haus unten für den Bauträger Heimbau. Beide entstehen zurzeit auf den Aspanggründen in Wien.

Foto: s&s Architekten
Foto: Feichtinger Architects

"Mit einem Passivhaus wird man eigentlich nie fertig, ständig ist man am Optimieren", sagt Georg Faltenbacher. Momentan hat er daher viel zu tun: "Passivhäuser sind sehr stark im Kommen." Faltenbachers Firma Vasko und Partner hat die Gebäudetechnik entwickelt für eines von sechs Projekten von "Eurogate".

Unter diesem Namen sollen bis 2016 Europas größte Passivhaussiedlung entstehen. Auf den Aspang-Gründen in Wien-Landstraße, zwischen Rennweg und Landstraßer Gürtel, sollen 1700 Wohnungen für 5000 Menschen gebaut werden - jede dieser Wohnungen soll pro Jahr 500 Kilogramm an Treibhausgasen sparen. 103 Millionen Euro soll das Projekt kosten, die Stadt Wien zahlt 36 Millionen Euro Wohnbauförderung und schießt weitere 3,8 Millionen für die Passivbauweise zu. Bis 2011 sollen die ersten 824 Wohnungen bezogen werden, 704 davon werden gefördert sein.

Spatenstich auf den ersten sechs Bauplätzen war am 14. März, Faltenbacher arbeitet an der Anlage auf Bauplatz eins. Feichtinger Architects haben sie für den Bauträger Heimbau entworfen. In drei Häusern sollen 71 geförderte Mietwohnungen entstehen.

Belüftung statt Heizung

Die Idee beim Passivhaus: Statt einer normalen Heizung erwärmt das Belüftungssystem die Wohnungen. "Wir arbeiten hier mit einer sehr hochwertigen Bauweise, anders funktioniert die Haustechnik bei einem Passivhaus nicht", erklärt Faltenbacher. Die Fenster sind mit drei Scheiben verglast, die Fassade ist außen wind- und innen luftdicht, dazwischen liegen 30 Zentimeter Dämmung.

Eine Lüftungsanlage saugt die alte Luft aus den Wohnungen und bläst frische Luft von außen hinein. Dabei wärmt ein Wärmetauscher die frische Luft mit der Wärme der alten. Für Allergiker sind in die Lüftungsanlage zwei Pollenfilter eingebaut. Die Belüftung kann in jeder Wohnung dreistufig geregelt werden: "Eine für den Urlaub, eine für den Normalbetrieb und eine, wenn einmal Gäste da sind und man mehr Frischluft braucht."

Wer trotzdem lieber auf konventionelle Art seine Luft tauscht, der kann das natürlich auch tun: "Viele glaube, in einem Passivhaus kann man nicht lüften", sagt Faltenbacher. "Das stimmt nicht. Man kann, aber man muss nicht."

Warmwasser wird mit Fernwärme erhitzt. "Für eine 100-Quadratmeter-Wohnung zahlen sie so nur etwa 330 Euro für Heizung und Warmwasser - im Jahr", sagt Faltenbacher. Das sind nur etwa fünf Prozent der Energie, die ein Altbau verbraucht. Problematisch sind nur die Wohnungen in Randlagen, etwa im Erdgeschoß oder unter dem Dach. Sie brauchen etwa 50 Prozent mehr Energie zum Heizen, eigene Heizkörper mit Fernwärme sollen hier helfen.

Büsche und Gräser am Dach 

"Trotz Passivbauweise haben wir versucht, möglichst viel Glas in die Fassade zu integrieren", erklärt Rupert Siller, einer der Architekten des Hauses. Etwa 20 Prozent sind es geworden - "die Obergrenze dessen, was hier möglich ist." Dort, wo auf den Flachdächern keine Terrassen sind, sollen einmal Büsche und Gräser wachsen. So werden einerseits die Wohnungen im Sommer vor Hitze geschützt. Andererseits dienen die Gründächer als Feuchtigkeitsspeicher: "Wenn es regnet, rinnt in der Stadt das Wasser normalerweise sofort durch den Kanal ab", erklärt Siller. "Gründächer speichern es und sorgen so für ein besseres Klima im ganzen Viertel."

Einige Meter weiter, auf Bauplatz drei, soll statt Sträuchern einmal eine Sauna auf dem Dach stehen. Beheizt wird auch sie mit Fernwärme, und sie soll helfen, die Hausbewohner enger zusammenzubringen. Entworfen hat die Anlage s&s Architekten für die Sozialbau AG.

Neben der klassischen Passivhaustechnologie gibt es hier auch einige Innovationen: Die Wäschetrockenboxen in der Waschküche werden mit Fernwärme erhitzt statt mit Strom, diese warme Luft wiederum wird wieder zum Heizen genutzt. Die Steckdosen der einzelnen Räume sind zentral abschaltbar, um den Stromverbrauch durch Geräte im Stand-by- Modus zu reduzieren. Und Geschirrspüler und Waschmaschinen haben einen eigenen Warmwasseranschluss.

Anleitung zum Wohnen

Ein Energie-Manager soll den künftigen Bewohnern vor dem Einzug erklären, wie mit der Wohnung am besten und energieeffizientesten umgegangen wird. Im Vergleich zu einem normalen Passivhaus kann so nochmals 19 Prozent Energie gespart werden, hoffen die Architekten.Technischen Standards wie das Passivhaus sind irgendwann veraltet - die Stadt Wien baut aber geförderten Wohnbau "quasi für die Ewigkeit", wie Christian Kaufmann erklärt, Sprecher von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig. Deswegen soll bei Eurogate nicht nur das Energiekonzept nachhaltig sein.

Zweiter Schwerpunkt neben der Passivbauweise war bei dem Wettbewerb die Grün- und Freiraumgestaltung und Konzepte für ein gutes Zusammenleben der Mieter. s&s Architekten legten besonders viel Wert auf eine Planung, die Gemeinschaft fördert: "Wir wollten Raum bieten, in dem die Leute sich treffen können, auch wenn sie nicht unbedingt wollen", sagt Architektin Alexandra Reinsperger-Bakouri.

Die Gemeinschaftsräume sind auf alle drei Häuser der Anlage verteilt und zu den grünen Höfen hin orientiert. Neben der Sauna gibt es einen Fitnessraum, eine Fahrradwerkstatt, einen Kinderspielraum, einen Versammlungsraum und das "Sommerhaus": ein überdachte Stiege im Freien, auf der sich vor allem jüngere Bewohner einmal treffen sollen.

Der städtebauliche Masterplan zu Eurogate wurde ab 2000 vom britischen Stararchitekten Sir Norman Foster entwickelt und ab 2003 vom Wiener Architekten Albert Wimmer weiter geführt. Die Entscheidung, Eurogate als Passivhaussiedlung zu bauen, fiel allerdings erst 2006. Foster ist derzeit wieder aktiv im umweltfreundlichen Städtebau: Sein Büro entwarf die weltweit erste kohlendioxidneutrale Stadt, die gerade in Abu Dhabi entsteht. (Tobias Müller, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.5.2010)