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Die gharakhanzadeh sandbichler architekten (Feria Gharakhanzadeh, Bruno Sandbichler) haben ein eigenes Konzept für die Sanierung von Bestandsbauten entwickelt. Sie setzen dabei multifunktionale Elemente ein, so genannte Synergie-aktivierende Module ("S.A.M."). Diese können bei unterschiedlichsten Gebäudetypen, vom Gründerzeithof bis zum Plattenbau, angewandt werden. Das Altenheim Landeck, erbaut 1976 in Form eines Terrassenhauses (siehe Bild oben), wurde im Jahr 2004 auf diese Art und Weise saniert (Bild unten). Durch die Vorfertigung der Module wird die Bauzeit radikal verkürzt - dies ermöglichte eine Sanierung, ohne die Nutzung des Gebäudes unterbrechen zu müssen. Die Module wurden innerhalb weniger Tage - Zimmer für Zimmer - an den Altbestand angedockt und vergrößern die Gesamtwohnfläche um 17 Prozent. Die Heizkosten wurden damit um 65 Prozent gesenkt.
Das Konzept wurde kürzlich in Grenoble mit dem renommierten "Prix de l'Habitat Durable" in der Kategorie "Renovation Thermique" ausgezeichnet. Von den Bauarbeiten gibt es auch einen Kurzfilm auf YouTube.

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Sanieren mit Architekten? Ja, natürlich, sagen diese selbst – wenig überraschend. Wie sie es begründen, erfuhren Iris Seebacher und Martin Putschögl im Gespräch mit Bernhard Sommer, Bruno Sandbichler, Verena Mörkl und Azita Goodarzi von der IG Architektur.

derStandard.at: Beim "Sanierungscheck" im vergangenen Jahr war ziemlich strikt vorgegeben, welche Sanierungen man durchführen kann, und ob man nur Einzelmaßnahmen oder eine so genannte "umfassende Sanierung" durchführen will. Sehen Sie als Architekten darin auch so einen großen Erfolg wie die Wirtschaftskammer?

Bernhard Sommer: Nein, weil durch den Sanierungsscheck auch falsche Maßnahmen getroffen wurden. Es gibt eine Studie von Brian Cody von der TU Graz, die nachweist, dass bei einem bestehenden Bürogebäude der Einfluss einer nachträglichen Wärmedämmung der opaken (undurchsichtigen, Anm.) Wandflächen hinsichtlich des Gesamtprimärenergiebedarfs von untergeordneter Bedeutung ist. Als Schlussfolgerung wird empfohlen, dass angesichts eines vorgegebenen Budgets Überlegungen angestellt werden sollten, mit welchen Strategien der höchstmögliche Nutzen bei gleichem Aufwand zu erzielen ist.

derStandard.at: Aus Ihrer Sicht war das Geld für den "Sanierungsscheck" also nicht sinnvoll eingesetzt?

Sommer: Sicher nicht, wenn nicht ein sorgfältiges Sanierungskonzept durch einen kompetenten Planer erstellt wurde. Und das ist nun einmal der Architekt, die Architektin.

Bruno Sandbichler: Das ist ähnlich wie bei den Förderungen der alternativen Energieformen. Das ist eine Politik, die den Konzernen Geld in die Taschen spielt, aber nichts mit sinnvollen Maßnahmen zu tun hat. Genauso wie man jetzt weiß, dass die ganzen Vollwärmeschutzfassaden, die in den letzten zwanzig Jahren aufgebracht wurden, eine Fehlentwicklung gewesen sind. Aber sie werden trotzdem noch gebaut und auch gefördert. Das wäre vermutlich anders gelaufen, hätte man mehr in die Vorbereitung investiert.

derStandard.at: Ab wann braucht man dann bei einer Sanierung einen Architekten? Ein Fenstertausch geht ja sicher auch ohne.

Verena Mörkl: Grundsätzlich und rein rechtlich brauchen sie – und das ist unser Problem – nie einen Architekten. Das kann Ihnen jeder Baumeister auch machen. Und viele Baumeister werden Ihnen auch erklären, dass es viel gescheiter und billiger ist, dass sie, wenn sie das ausführen, auch gleich die Planung mitmachen.

Sommer: Es gibt ja immer etwas zu erreichen. Was man erreichen will, ist ja nicht ein niederer Heizwärmebedarf, wie er im Energieausweis steht. Das ist einfach eine Zahl. Was man erreichen will, ist, dass man sich in dem Raum wohl fühlt, dass man die laufenden Kosten senkt, die Substanz erhält und aufwertet und vielleicht auch einen Mehrgewinn für die ganze Gemeinschaft schafft. Das ist sehr komplex. Und dafür braucht man einen Architekten. Denn so wie es jetzt läuft – Sanierung nach Heizwärmebedarf, so wie er im Energieausweis steht -, das kann auch eine Verschlechterung sein. Da wird viel Geld investiert und es entsteht ein furchtbarer thermischer Komfort, weil's auf einmal viel zu feucht wird in der Wohnung, weil es vielleicht sogar zu Schimmeln anfängt.

derStandard.at: Wenn der Baumeister oder die Fensterfirma Holzfenster vorschlägt, würde ich dann keinen Architekten brauchen?

Azita Goodarzi: Ein Baumeister kann natürlich genauso schauen, welche Fenster es zum Einbauen gibt, aber eine thermische Rechnung wird er vermutlich nicht anstellen. Architekten kosten zwar etwas, aber sparen auch Geld für den Auftraggeber. Architekten sind auch rechtlich dafür verantwortlich, dass der Kunde die nach Stand der Technik qualitativ beste und auch wirtschaftlich günstigste Lösung bekommt. Und Architekten haben auch die Verantwortung, dass sie auf Kunst, Baukultur und die Architektur achten.

derStandard.at: Was lässt sich mit einem Architekten einsparen?

Sommer: Bares Geld. Die Preisunterschiede, die wir einholen, betragen manchmal 50, manchmal bis zu 100 Prozent. Der Preis sagt oft aber überhaupt nichts. Die Frage ist: Was bekomme ich für das Geld? Man bekommt mit einem Architekten eine Lösung, die im Verhältnis zu dem, was investiert wird, eine Optimierung darstellt. Selbst wenn Sie einen Tischler nur die vorhandenen Fenster schleifen und streichen lassen, sind Sie vielleicht auch wieder schlechter gefahren, weil Sie gewisse Sanierungspotenziale übersehen haben.

Sommer: Es müsste eigentlich jedes Haus, das mit einer Wohnbauförderung gemacht wird, verpflichtend mit einem Architekten geplant werden. Es ist nicht nur notwendig, ihn für eine schöne Skizze zu beauftragen, sondern auch mit der behördlichen Bewilligung. Und auch mit der Detaillierung und der Ausschreibung, damit der Bauherr für seinen Kredit das Maximum herausbekommt.

Goodarzi: Sanieren und Förderung haben miteinander zu tun. Bei Banken und Förderstellen sollte schon dafür geworben werden, dass die Architekten die Fachleute sind. Ein Architekt baut günstiger, qualitativ besser. Und wenn zum Beispiel irgendetwas schimmelt, wenn Wasser hereinkommt, dann steht der Architekt zur Organisation der Mängelbehebung zu Verfügung.

derStandard.at: Der Architekt haftet für Baufehler?

Sandbichler: Es geht darum, dass der Architekt eine Dokumentation führt, da gibt es dann nachvollziehbare, nachweisbare Vorgänge, die der Architekt dokumentiert und auf die man sich berufen kann.

derStandard.at: Wie kann man sich ausrechnen, was der Architekt kostet?

Sommer: Die Stunde eines Architekten kostet zwischen 50 und 140 Euro. Hier ist allerdings wichtig festzuhalten, dass im Gegensatz zu früher eine höhere Endsumme der Baukosten nicht automatisch zu einem höheren Architektenhonorar führt. Die neue Honorarinformation geht nämlich in Richtung leistungsbezogenes Honorar, weg von der Kopplung an die Baukosten. Das war früher immer das Problem, dass die Baukosten gestiegen sind, weil man zum Beispiel wertvollere Materialien auswählte. Dann sind gleichzeitig auch die Architektenhonorare gestiegen. Diese Zeiten sind vorbei. Jetzt gilt eine wirklich leistungsbezogene Bezahlung, die auch wir besser vertreten können.
Um eine Größenordnung zu vermitteln, ist es dennoch ganz brauchbar, die Honorare in Bezug zur Bausumme zu setzen. Das sind dann ca. 15 Prozent der Bausumme oder ca. 7 Prozent des Gesamtbudgets. Auch bei Sanierungen muss man mit 10 bis 15 Prozent je nach Leistungsumfang rechnen.

derStandard.at: Kann man einen Architekten quasi "auf Probe" nehmen, um zu sehen, ob sich das rentiert?

Mörkl: Wenn man sich unsicher ist, ob man einen Architekten beauftragen soll, kann man sich zuerst einmal einen Vorentwurf und eine Grobkostenschätzung machen lassen. Darin sieht man schon in etwa die Kosten, und der honorarpflichtige Aufwand dafür ist im Vergleich zum Baubudget verschwindend. Da kann man noch nichts falsch machen.

derStandard.at: Was ist, wenn sich der Architekt verrechnet und sich das Budget verdoppelt?

Sommer: Das kann so nicht passieren. Der Architekt macht eine Ausschreibung, die die erwartete Leistung sehr präzise beschreibt. Da ist dann meist schon bis ins Detail und noch vor Auftragsvergabe geklärt, welche Leistungen anfallen. Vor allem die kleinen und mittleren Architekturbüros haben dieses Problem nicht. Deshalb ist es auch sinnvoll, diese als Generalplaner einzusetzen. Natürlich gibt es manchmal Zusatzleistungen. Wir selbst haben schon einmal bei einem Projekt eine Kostenexplosion gehabt. Aber das wussten wir noch bevor wir mit dem Bauen begonnen haben. Und dann haben wir den Bauherren die Frage gestellt: Wollt ihr das immer noch so haben?

derStandard.at: Möglicherweise ist das nur ein Klischee, aber es gibt doch auch diese Angst vor dem allzu "kreativen" Architekten, der sich mit besonders "witzigen" Ideen in meiner Wohnung, meinem Haus verwirklicht und dann zum nächsten neuen Projekt wandert und dort wieder eine neue Idee ausprobiert.

Mörkl: Da empfiehlt es sich, einfach einmal mit Leuten zu reden, die sich einen Architekten genommen haben, und sich über deren Wohnzufriedenheit zu informieren. Denn die ist extrem hoch. Ich persönlich kenne zum Beispiel nur einen, der sicher ein Extremfall ist, bei dem aber auch alles schief gegangen ist und der darum sagt: Nie wieder. Ansonsten kenne ich nur Leute, von denen jeder immer wieder mit einem Architekten planen würde.

Sandbichler: Mich würde ja interessieren, was der Architekt denn tut, wenn er sich "selbst verwirklicht". Das sagt man so vor sich hin. Aber ich habe gar keine Vorstellung davon, was das bedeuten könnte. Es ist ein Klischee, das aber keinen Inhalt mehr hat. In meinem Umfeld, in meiner Kollegenschaft, in der ich agiere, gibt es diese Art von Architekten nicht. Um was es aber schon geht: Auch der Bauherr muss sich möglichst bewusst werden, was er erreichen will. Diese Ziele muss man herausarbeiten, in einem Kommunikationsprozess mit dem Architekten. Dass es unter Umständen nicht nur darum geht, die Fenster zu tauschen, sondern auch darum, einen Wohnkomfort zu erreichen, den man in der jeweiligen Situation noch gar nicht verspürt. Und es gibt noch viele andere Ziele, wie etwa eine flexible Raumnutzung, weil sich die familiäre Situation permanent ändert.

Mörkl: Man arbeitet mit einem Architekten auf einer sehr persönlichen Ebene, man wird sehr Persönliches los. Der Entwurf entsteht ja aus einer gemeinsamen Planung, und da erfährt der Architekt auch, wie man badet oder aufs Klo geht. Ich als Architektin komme dann mit einem Entwurf, und der Auftraggeber sagt: "Ok, das passt, aber das hier will ich anders, und das und das versteh ich nicht."

derStandard.at: Wie finde ich einen Architekten, der zu mir und meinem Problem passt?

Sandbichler: Man kann sich beispielsweise auf der Homepage der IG Architektur einfach mal umsehen. Da findet man die Architekten alphabetisch oder nach Postleitzahl geordnet. Sie sehen dort auch, was der macht, worauf er sich spezialisiert hat und was er bereits gebaut hat. Dann steht natürlich jeder Architekt für ein Erstgespräch gratis zur Verfügung. Da kann man dann auch persönlich spüren: Gibt es eine Kommunikation, weiß er, was er sagt, oder ist er ein Verkäufer von Luft? Da gibt's natürlich wie überall alle Varianten. Man spürt aber normalerweise sehr schnell, ob man mit jemandem kann, oder nicht.

derStandard.at: In Wohnhäusern hätten die Bewohner sicher gerne, dass ein Architekt die Sanierungen übernimmt, aber die Hausverwaltungen sagen oft, das kann man sich alles selbst billiger organisieren. Wieso nehmen Hausverwaltungen so selten einen Architekten? Die müssten ja informiert sein über die Kostenvorteile, die ein Architekt bringt?

Sommer: Nein, das sind sie leider nicht. Genau dort wird ja auch sinnlos viel Geld verbraten. Weil es oft keine ordentliche detaillierte Ausschreibung gibt, oder die Ausschreibungen nicht vergleichbar sind.

derStandard.at: Wäre da nicht dringendst eine Aufklärungskampagne für Hausverwaltungen nötig?

Sommer: Natürlich. Ich glaube, dass es vor allem die Unwissenheit ist. Unsere Bringschuld ist, dass man das aufklärt und raus geht zu den Leuten, wie den institutionellen Auftraggebern usw. Kein Hausverwalter wird dann überhaupt noch auf die Idee kommen, irgendetwas ohne die Architekten zu machen.

derStandard.at: Was könnten Bewohner tun, um bei Hausverwaltungen Architekten einzufordern?

Sandbichler: Also, wenn sich die Bewohner solidarisieren, dann müssen die Hausverwaltungen reagieren. Die müssen ja machen, was die Bewohner sagen. Die Bewohner können sich auch erst einmal auf eigene Rechnung von einem Architekten beraten lassen, der wiederum die Maßnahmen der Hausverwaltung beurteilt.

Goodarzi: Eine Sanierung soll nicht nur eine Sanierung, sondern eine ganzheitliche Verbesserung für die Bewohner, die Nachbarn und auch eine städtebauliche Verbesserung sein. Wir betrachten ein Haus zum Beispiel auch in Bezug zu anderen Nachbarn, etwa im Hofbereich. Die Hausverwaltungen sind aber nicht immer die, die das größte Problem machen. Oft sind es die Bauherren und Frauen, die aufgrund mangelnder Information keine ausführliche Sanierung anstreben und sagen: "So eine große Sanierung wollen wir nicht." Es müsste eine Lobby der Hausverwaltungen mit einer Architekten-Lobby zusammenarbeiten und Aufklärung bei den Bauherrn und Frauen betreiben. Es gibt viele Hausverwaltungen, die wissen um das Know-how der Architekten und arbeiten gerne mit uns zusammen.

derStandard.at: Vermissen Sie sowas wie einen "Zwang zum Architekten"?

Sommer: Ja es fehlt der Zwang zum Architekten, damit die Innovation überhaupt anspringen kann. Ganz offensichtlich ist im kommerziell industriellen Baugewerbe von Seiten der Baumeister, der Baumaterialerzeuger kein Potenzial an Innovation vorhanden. Sonst würden die Gebäude jetzt anders aussehen.
Im Neubau wird noch immer enorm viel "graue Energie" vernichtet. Das ist jene Energie, die man einsetzt, um das Ding herzustellen. Die alten Gründerzeitbauten sind nach 150 Jahren immer noch da, weil sie wieder nutzbar sind. Die sind relativ nutzungsneutral. Aber all diese Gebäude, die jetzt hochgezogen werden, mit betonierten Innenwänden nach irgendeinem Raster – diese Grundrisse sind in zwanzig Jahren unbrauchbar. Weil die Menschen in zwanzig Jahren anders leben. Wenn wir die Grundrisse aber jetzt in Beton gießen, vernichten wir graue Energie. Statt 150 Jahren sind diese Häuser nur zwanzig Jahre lang brauchbar. Dann muss man wieder Energie aufwenden, um das Ding wegzureißen.

Sandbichler: Seit Anfang des 20. Jahrhunderts träumen die Architekten davon, dass das Bauen industrialisiert wird. Das klingt im ersten Moment erschreckend, aber in Wirklichkeit ist damit gemeint, mit Fertigteilen, also vorgefertigten Teilen, zu bauen. Bei Autos oder Haushaltsgeräten wird das schon lange so gemacht, aber beim Bauen findet das nur in sehr beschränktem Maße statt. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus dann wieder das Problem beim Sanieren: Die Dinge sind alle in Beton gegossen und stehen unveränderbar da. Sonst könnte man, so wie man beim Auto die Reifen wechselt oder die Scheinwerfer austauscht, auch beim Haus schnell einmal Module oder Elemente austauschen. (derStandard.at, 27.5.2010)