Berlin - Schulterklopfen statt Schusswechsel, Handschlag statt Handgranate. In Deutschland hat ein Friedensschluss der besonderen Art stattgefunden. Die bisher schwer verfeindeten Rockerclubs Hells Angels und Bandidos wollen einander ab sofort nicht mehr bekämpfen, sondern respektieren.

Den Pakt besiegelten die künftigen Kuschelrocker in einer Hannoveraner Anwaltskanzlei, das Medieninteresse war enorm. Sich richtig in die Augen zu schauen, geschweige denn einander zu umarmen schafften die beiden Deutschland-Chefs zwar nicht, aber immerhin: Es wurde eine Erklärung verlesen. Ihr Kernsatz: "Beide Parteien haben vereinbart, zukünftig in friedlicher Koexistenz miteinander zu leben."

In den vergangenen Jahren war es immer wieder zu schweren Zusammenstößen von Hells Angels und Bandidos gekommen, dabei waren auch Mitglieder der "Feinde" getötet worden. Bei den Kämpfen geht es nicht allein um die "Rocker-Ehre" , sondern um handfeste wirtschaftliche Interessen: Sowohl Bandidos als auch Hells Angels versuchen, ihren Einfluss im Rotlicht- und Türstehermilieu auszubauen.

In ihrer neuen Benimmfibel haben sie nun Regeln festgelegt: Bandidos betreten das Revier der Hells Angels nicht mehr und umgekehrt. Beide Clubs nehmen keine Mitglieder oder Exmitglieder der Gegenseite auf. Man spricht künftig mehr miteinander.

Der "Frieden von Hannover" ist jedoch nicht Ergebnis eines Anti-Gewalt-Seminars, sondern ein demonstrativer Akt, um eine Zerschlagung der Clubs zu verhindern. Denn die deutschen Innenminister diskutieren gerade ein Verbot von Hells Angels und Bandidos. Der Kuschelkurs überzeugt die meisten von ihnen nicht. Auch die Polizei bezeichnet den inszenierten Friedensschluss als "Blendwerk, mit dem sie ihre Gewalttätigkeiten und kriminellen Machenschaften tarnen wollen". (Birgit Baumann, DER STANDARD - Printausgabe, 28. Mai 2010)