Zur Person:

Ferdinand Mühlbacher (61) ist Vorstand der Universitätsklinik für Chirurgie am AKH Wien und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgie, die den Kongress in Linz organisiert.

Foto: Standard /Christian Husar

Standard: In "Grey's Anatomy" werden Operationen als Drahtseilakte, Chirurgen als Helden inszeniert. Wie ist eine OP wirklich?

Mühlbacher: Wir arbeiten unter großem Druck, und ja, wir haben während unserer Arbeit im OP immer wieder Adrenalin-Kicks. Allerdings bezieht sich das auf kurze Episoden einer Operation, die wirklich sehr kompliziert sind. Über weite Strecken sind Operationen Routine, Kilometerarbeit, würde ich sagen.

Standard: Welche Operationen sind für Chirurgen noch eine Herausforderung?

Mühlbacher: Es gibt Bereiche im Körper, die schwer zugänglich sind, etwa die Bauchspeicheldrüse. Sie wird selten operiert, und das ist schon eine Herausforderung. Auch das Operieren von erkrankten Organen, deren Zustand sich erst während der Operation herausstellt, ist schwierig. Große Verantwortung haben Chirurgen natürlich immer dann, wenn sie in Bereichen operieren, die von großen Blutgefäßen durchzogen werden.

Standard: Wenn etwas schiefgeht, dann besteht Lebensgefahr?

Mühlbacher: Genau, die Lebensgefahr gilt es als Operateur zu vermeiden.

Standard: Wie ist es mit Transplantationen?

Mühlbacher: In diesem Gebiet haben wir viel erreicht. Transplantationen haben heute so gute Ergebnisse, dass der Bedarf kontinuierlich steigt. Eines der großen Probleme ist, dass wir zu wenig Spenderorgane haben.

Standard: Ließe sich das ändern?

Mühlbacher: Natürlich, wenn jedes Krankenhaus in Österreich einen Transplantationskoordinator hätte, der Fälle von akutem Hirntod an eine Koordinationsstelle meldet, ließen sich die Wartelisten reduzieren, und das Leben vieler Patienten würde verbessert.

Standard: Wie riskant sind Transplantationen?

Mühlbacher: Technisch betrachtet werden alle großen Organe heute verpflanzt. Der Aufwand ist hoch, aber es ist machbar. Das Herz mit seinen daumendicken Blutgefäßen ist eigentlich am einfachsten zu verpflanzen, bei der Lunge ist die gute Verbindung der neuen Lunge mit der Luftröhre entscheidend. Das muss gut genäht sein und lange halten. Schwierig bei der Leber ist die dünne Arterie und der dünne Gallengang, bei der Niere der enge Harnleiter. Je kleiner die Strukturen, umso diffiziler ist die Angelegenheit. Eine Gesichts- transplantation, bei der Nerven unter Mikroskop verbunden werden, ist auch für uns Chirurgen deshalb spektakulär.

Standard: Was ist mit künstlichen Organen?

Mühlbacher: Die Herausforderung ist der Übergang zu körpereigenen Strukturen. Da wird viel geforscht. Wir setzen heute bereits Rotationspumpen bei schlaffem Herzmuskel ein. Das Gefäßsystem wird durchblutet, diese Menschen haben aber keinen Puls mehr.

Standard: Wie stark ist die Spezialisierung in Ihrem Fach?

Mühlbacher: Sehr ausgeprägt, wir haben viele Sonderfächer. Als Chirurg muss man sich entscheiden: für Allgemeinchirurgie oder für die Spezialisierung.

Standard: Können Patienten gute Chirurgen über die Anzahl der Operationen, die ein Chirurg durchführt, ablesen?

Mühlbacher: Fallzahlen allein sagen nichts aus. Man muss sie in Relation zu vielen anderen Parametern setzen. Ich denke, dass Laien am besten beraten sind, wenn sie sich von ihrem Allgemeinmediziner oder behandelnden Arzt beraten lassen.

Standard: Was forschen Chirurgen?

Mühlbacher: Vieles ist Qualitätssicherung. Wir untersuchen, wie gut unsere Methoden im Resultat langfristig sind, allerdings wird das datenschutzrechtlich immer schwieriger, weil wir Menschen zunehmend weniger zu Kontrollen bitten dürfen. Das ist ein großes Problem. Im Sinne der besten Therapie muss es uns möglich sein, solche Auswertungen durchzuführen.

Standard: Wie ist es mit neuen Methoden?

Mühlbacher: Hier vergleichen wir neue Methoden mit dem existierenden Standard, auch das ist ein Teil unserer Forschung. Wir beschäftigen uns aber auch zunehmend mit immunologischen Fragestellungen, etwa: Welche Teile eines Organs können wir entnehmen, ohne großen Schaden anzurichten. (Karin Pollack, DER STANDARD Printausgabe, 31.5.2010)