Das Telekomunternehmen Orange fordert von der Swisscom über 900.000 Franken (631.225 Euro) zurück. Beim Berner Handelsgericht reichte sie eine Klage ein, wonach Swisscom von ihr in den Jahren 2004 bis 2006 zu hohe Interconnection-Fees verlangt haben soll. Die Klägerin hat am Freitag geltend gemacht, dass die frühere Monopolistin Swisscom beim Vertragsschluss ihre marktbeherrschende Stellung im Festnetz missbraucht habe.

"Take it or leave it"

Orange habe den Vertrag - der die Gebühr für die Mitbenutzung von Telekomnetzen anderer Anbieter für die Jahre 2004 bis 2006 regelte - unterzeichnen müssen nach dem Motto "take it or leave it", sagte der Orange-Anwalt vor Gericht. Mit anderen Worten habe sie gar keine Wahl gehabt. Der Vertrag enthält eine Klausel, worin eine sogenannte rückwirkende Drittwirkung ausgeschlossen wurde. Damit wollte Swisscom verhindern, dass sich Orange auf spätere Preissenkungen durch die Eidgenössische Kommunikations-Kommission (ComCom) berufen kann.

Preise gesenkt

Im Dezember 2007 entschied die ComCom, dass die Swisscom von ihren Konkurrenten COLT Telecom und Verizon Switzerland für die Jahre 2004 bis 2006 zu hohe Interkonnektionspreise verlangt hatte. Die Behörde senkte die Preise rückwirkend um 15 bis 20 Prozent. Orange stellt sich auf den Standpunkt, dass die Ausschlussklausel nichtig sei. Daher schulde ihr Swisscom die Differenz zwischen den behördlich festgelegten, tieferen Preisen und den bereits bezahlten Gebühren - 913.000 Franken.

Vertrag gültig

Swisscom sieht die Rechtslage "diametral anders", wie ihr Anwalt sagte. Der Vertrag sei zwischen den Parteien "auf gleicher Augenhöhe" abgeschlossen worden. Das Unternehmen beruft sich auf das sogenannte Verhandlungsprimat: Die Vertragsfreiheit habe Vorrang vor behördlichen Eingriffen durch die ComCom. Der Vertrag sei gültig und einzuhalten. Der Klägerin sei es zudem offen gestanden, die ComCom selbst anzurufen, sagte der Swisscom-Anwalt weiter.

Urteil im August

Swisscom hat ihre Vertragspraxis in der Zwischenzeit geändert. Seit 2007 vereinbart das Unternehmen mit allen Mitbewerbern für die regulierten Zugangsdienste eine Regelung, wonach diese ebenfalls von tieferen Preisen profitieren können, welche die ComCom in einem Verfahren verfügt, an dem sie nicht beteiligt sind. Das Handelsgericht gibt das Urteil im August bekannt. Beim selben Gericht ist gegen die Swisscom ein weiteres, ähnliches Verfahren hängig, in der Cablecom als Klägerin auftritt. Diese Klage betrifft den Zeitraum 2001 bis 2003. (APA/sda)