Die neuen Tunnelröhren sind mit akustischen Warnanlagen, die von der steirischen Forschungsstätte Joanneum Research entwickelt wurden, ausgestattet.

Foto: ASFINAG

Graz - Es ist wie bei natürlichen Pfaden. Da legt jemand mit viel Mühe einen Rasen an, fasst ihn mit Randsteinen ein, und dann trampelt die Fußgängergemeinde quer durch - weil es der kürzeste Weg von A nach B ist.

Ein derartiger "natürlicher Pfad", allerdings für Pkw, wurde am Freitag zwischen Graz und Bruck an der Mur - und weiterführend nach Wien - nach jahrelangen Bauarbeiten nun fertiggestellt, die zahlreichen Umfahrungen auf der Strecke wurden damit kurzgeschlossen. Heute, Samstag, wird dieses letzte Teilstück der Brucker Schnellstraße (S 35) für den Verkehr freigegeben.

Somit ist die Schnellstraßen- und Autobahnverbindung zwischen Wien und der steirischen Landeshauptstadt über den Semmering - nach 40 Jahren Provisorium - geschlossen und dieses in früheren Jahren als "Todesstrecke" der Gastarbeiterroute gefürchtete Straßenstück entschärft. Die Strecke ist nunmehr eine vollwertige Alternative zur Südautobahn, die von Kärnten über Graz und den Wechsel nach Wien führt.

Mehr als 200 Millionen Euro kostete dieses letzte Teilstück, es ist knapp sieben Kilometer lang und schließt zwei Tunnelanlagen in Kirchdorf und Kaltenbach ein. Laut bauausführender Asfinag sind die Tunnelröhren mit einer weltweit bisher einzigartigen akustischen Sicherheitsanlage ausgestattet.

Der Tunnel kann sozusagen "hören". Eine von der steirischen Forschungsstätte Joanneum Research entwickelte und installierte Mikrofonanlage erlaubt ein akustisches Monitoring, eine Hörüberwachung des Tunnels. Außergewöhnliche Geräusche, wie etwa Reifenplatzer, Schnellbremsungen, ein Unfall oder Brände lösen umgehend das Alarmsystem aus. Ein Computer analysiert in Sekundenbruchteilen die Töne und leitet sie an die Überwachungszentrale weiter.

Polit-Gerüchte um Straße

Dass der kürzeste Weg zwischen den beiden steirischen Ballungszentren Bruck an der Mur und Graz erst jetzt, 2010, geschlossen wurde, hat angeblich - so erzählen es die steirischen PolitikChronisten - auch einen politischen Hintergrund. In der Zeit der "Krainer-Dynastie", als das Land fest in der Hand der Volkspartei war und eine Autobahnverbindung in den Norden des Bundeslandes geplant war, stand auch die naheliegende Direktverbindung nach Bruck zur Diskussion. Nun - so erzählen alte Gerüchte - sollen aber die schwarzen Landesherren es kategorisch abgelehnt haben, der erzroten Arbeiterstadt Bruck eine Autobahnzufahrt zu spendieren, die womöglich von den dortigen Sozialdemokraten noch als Erfolg ihrer Politik gefeiert hätte werden können.

Also zweigt die Autobahn seitdem weit vor Bruck links ab und wird durch den 8000 Meter lan- gen Gleinalmtunnel geführt. Sie kommt westlich von Bruck an der Mur wieder heraus. Die Phyrnautobahn verbindet zwar die Landeshauptstadt schneller mit dem Murtal, die Verbindung nach Wien über den Semmering blieb aber all die Jahre zwischen Graz und Bruck ein mühsam zu befahrendes Bruchstück. (Walter Müller/DER STANDARD-Printausgabe, 29.5.2010)