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Der letzte Feinschliff in einer Fußgängerunterführung von Kapstadt. Die WM-Austragungsstädte werden verschönt, fraglich ist, ob Südafrika nachhaltig von den Spielen profitiert.

Foto: EPA/NIC BOTHMA

Standard: Südafrika hat nach offiziellen Angaben bisher 3,5 Milliarden Euro für die Fußballweltmeisterschaft investiert. Wird die Wirtschaft des Landes davon nachhaltig profitieren?

Kubin: Ich glaube nicht. Großereignisse können ein wirtschaftlicher Faktor sein, die Investments sind aber von den bestehenden Industriestrukturen Südafrikas zu weit weg. Ich würde also bezweifeln, dass dem Land von der WM viel mehr als ein Imagegewinn bleibt.

Standard: 3,5 Milliarden sind aber viel Geld.

Becker: Und das ist meines Erachtens genau das Problem: Es stellt sich doch die Frage, ob man mit weniger hohen Investitionen in anderen Bereichen nicht weit mehr hätte erreichen können. Verbesserungen gab es vor der WM in der Verkehrsinfrastruktur, was für viele Menschen längerfristig eine höhere Lebensqualität bedeutet. Die großen Bauprojekte dagegen schaffen nur kurzfristig Arbeit. Symbolisch und politisch halte ich die WM dagegen für wichtig, weil sie Identifikationen mit dem neuen Südafrika, mit dem Post-Apartheid-Staat, ermöglichen kann. In dieser Hinsicht könnte die WM sogar einen Beitrag zur gesellschaftlichen Stabilität leisten.

Standard: Sie haben auf der Wirtschafts-Uni Wien einen Südafrika-Fokus. Wieso ist das Land für österreichische Ökonomen interessant?

Kubin: Südafrika ist bei uns ein kleiner thematischer Schwerpunkt geworden, weil das Land ein sehr spannender entwicklungsökonomischer Fall ist: Der Staat weist einerseits Elemente eines modernen Industriestaates auf, ist aber andererseits nach wie vor ein Entwicklungsland.

Standard: Ein rasch wachsendes Entwicklungsland: Vor der Krise stieg die Wirtschaftsleistung jährlich um beachtliche fünf Prozent.

Becker: Dieses Wachstum war weitgehend von der Teuerung der Rohstoffe getragen. Der Bergbau ist nach wie vor von herausragender Bedeutung für das Land, auch wenn er aufgrund von Rationalisierungen in der Produktion nicht mehr so viele Menschen wie früher beschäftigt. Die Abhängigkeit vom Rohstoffexport hat aber dazu geführt, dass Südafrika den krisenbedingten Absturz der Preise an den Weltmärkten hart gespürt hat.

Standard: Aber die Preisschwankungen waren auch von Vorteil: Der Goldpreis ist auf einem Rekordhoch, und Südafrika ist hinter China der größte Goldexporteur.

Becker: Beim Gold haben sie Glück gehabt. Allerdings ist die Ausweitung der Goldproduktion technisch kaum noch möglich, die Bergwerke gehen bereits jetzt tausende von Metern in die Tiefe. Ein anderes wichtiges Exportprodukt Südafrikas ist Platin, das vor allem für Katalysatoren verwendet wird. Und der Einbruch der Automobilindustrie hat den Platinbergbau sehr stark getroffen.

Standard: Außer dem Bergbau gibt es nichts?

Kubin: Das wirtschaftlich größte Problem des Landes ist die fehlende Diversifikation: Südafrika verfügt über einen kapitalintensi-ven Bergbausektor. In diesem Bergbau-Energie-Komplex werden 40 bis 50 Prozent der Gesamtexporte erwirtschaftet. Doch der Sektor schafft nur wenige Jobs, weswegen die Arbeitslosigkeit sehr hoch ist (rund 25 Prozent, Anm). Dem Staat ist es bisher nur gelungen, große Betriebe im Automobilsektor anzuziehen. Und weil Südafrika kein klassisches Billiglohnland ist, könnte es auch weiter-hin schwierig werden, Industrien aus Europa und den USA anzulocken.

Becker: Südafrika leidet aber auch unter einer regional sehr ungleichen Entwicklung. Die Industrie und der Bergbau sind auf Johannesburg konzentriert. Kapstadt ist ein zweites Zentrum, dann gibt es noch die Städte Durban und Port Elizabeth. In diesen industriellen Zonen ist das Einkommen höher, dort gibt es Wachstum. In den anderen Regionen tut sich hingegen nichts. Dieses Entwicklungsmuster ist zu einem großen Teil durch die Apartheidpolitik entstanden. Die ländlichen Regionen hatten lange Zeit nur die Aufgabe, als Arbeitskraftreservoir für die Bergbau- und Industriezentren zu dienen, sodass sich in vielen dieser Gegenden nicht einmal eine tragfähige Landwirtschaft entwickeln konnte.

Standard: Aber dieses Problem von reichen Ballungszentren und einer verarmten Landbevölkerung gibt es in unzähligen Entwicklungsländern.

Becker: Ja, aber Südafrika zählt zu den ungleichsten Ländern der Welt. Die Kluft ist noch größer als beispielsweise in Brasilien. Extrem sind nicht nur die Einkommensunterschiede, sondern auch die geografisch-regionalen Ungleichheiten, was eben an der Apartheidpolitik, die es bis in die 1990er-Jahre gab, liegt. Schwarze Gebiete wurden unterentwickelt, während die weißen Ballungszentren gefördert wurden.

Standard: Wer wird Weltmeister?

Kubin: Italien.

Becker: Eine afrikanische Mannschaft: die Elfenbeinküste. (DER STANDARD Printausgabe 31.05.2010)