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"Die Schwäche des afrikanischen Menschen" : Nicolas Sarkozy mit Präsident Abdoulaye Wade 2007 in Dakar.

Foto: Reuters/Rossignol

Nicolas Sarkozy wollte ein Afrika-Jahr, eine Art Dauerfest mit 250 Anlässen und Projekten. Sein Zeremonienmeister Jacques Toubon deklamierte vollmundig die "Berufung Frankreichs, in der neuen Weltordnung die Bildung eines afrikanisch-europäischen Pfeilers zu fördern". Schließlich sei man, so fügte der Exkulturminister an, eine "große Familie".

Damit steigerte er aber nicht die Festlaune, sondern vertrieb sie noch ganz: Aus Afrika kam das Echo, eine frühere Kolonialmacht sollte so paternalistische Hinweise auf einen Familienbezug besser unterlassen. Seither verkümmert das Jubeljahr zum Pflichtprogramm. Den Auftakt macht heute, Montag, in Nizza ein französisch-afrikanischer Gipfel. 52 Staats- und Regierungschef folgen der Einladung des französischen Staatschefs, um nicht zuletzt den 50. Geburtstag der Entkolonisierung Westafrikas zu begehen.

Gänzlich abgenabelt haben sich die frankofonen Länder bis heute nicht. Neben der gemeinsamen Sprache verbinden sie enge Wirtschaftsbeziehungen sowie die fünf französischen Militärstützpunkte von Senegal bis Dschibuti. Die berüchtigte Françafrique, das heißt der postkoloniale Klientelismus zwischen Paris und den afrikanischen Hauptstadteliten, zieht im Hintergrund nach wie vor die Fäden. Sarkozy hat sich mit ihr längst arrangiert, nachdem er im Präsidentschaftswahlkampf 2007 eine Modernisierung der Beziehungen zu Afrika versprochen hatte. Das hinderte ihn dennoch nicht, später in einer Rede in Dakar die Schwächen des "afrikanischen Menschen" anzuprangern.

Afrikanische Intellektuelle fragten schon damals zurück, warum Sarkozy nicht im gleichen Ton über den "europäischen Menschen" sinniere. Und wie lange Paris noch gefälschte Wahlen wie in Gabun oder Togo absegne, nur um seine Protegés dort an der Macht zu halten oder die Erdölausbeutung durch französische Konzerne zu gewährleisten.

Ein Teil der vierzehn Exkolonien hat bereits eigene 50-Jahr-Feiern abgehalten. Senegal weihte im April in der Hauptstadt Dakar ein 53 Meter hohes Monument der afrikanischen Wiedergeburt ein. Andernorts werden Paraden oder Historikertagungen organisiert. Von Begeisterung oder nationaler Aufbruchstimmung ist aber kaum etwas zu spüren. "Was haben wir mit unseren 50 Jahren schon angefangen?" , fragt Abdou Rahmane Mbenge in der senegalesischen Zeitung Walfadjiri bitter.

Sarkozy hat sämtliche Einladungen an die Unabhängigkeits-gedenkfeiern ausgeschlagen. Vielmehr lädt er afrikanische Militärs zur großen Parade am Nationalfeiertag. Regimeunabhängige Medien in Afrika sehen dahinter eine Machtdemonstration. Heute, da sich die "Scheidung" zwischen Frankreich und Afrika vollziehe und die Chinesen zunehmend die Rolle der ehemaligen Kolonialisten übernähmen, sei ein gemeinsames Defilee auf den Champs-Élysées fehl am Platz, heißt es. (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD, Printausgabe, 31.5.2010)