Würde es nicht dauernd regnen, das neue deutsche Sommermärchen wäre perfekt. "Lena Superstar" , "lovely Lena" und natürlich das unvermeidliche "Wir-sind- Lena" -Jubeln der deutschen Medien.
Die 19-jährige Lena Meyer-Landrut schaffte, was zuvor erst einer deutschen Teilnehmerin (Nicole, 1982) gelungen war: Den European Song Contest zu gewinnen. "Verrückt, verrückt, verrückt" , sei das, erklärte sie, nachdem ihr Sieg feststand. Dabei wird das Verrückteste erst noch kommen, wenn die junge Frau aus Hannover wieder daheim ist. Deutschland liegt im Lena-Fieber. Ihre Mischung aus Natürlichkeit, Professionalität und einer Portion Frechheit begeistert die Massen.
Meyer-Landrut ist vor allem Gegenentwurf: Anders als die damals 17-jährige Nicole, die 1982 im Outfit einer puritanischen Musterschülerin ihr kleinmädchenhaftes "Ein bisschen Frieden" ins Mikrofon trällerte, hat ihre Nachfolgerin deutlich mehr Power und Selbstbewusstsein.
Auch mit der im Castinggeschäft gut vermarktbaren Story "wie ich mich aus dem Elend nach oben kämpfte" kann Meyer-Landrut nicht dienen. Ihr Großvater Andreas Meyer-Landrut ist ein bekannter Diplomat, der unter Bundespräsident Richard von Weizsäcker (1989 bis 1994) das Bundespräsidialamt leitete.
Im Alter von fünf Jahren beginnt die Wohlbehütete aus bürgerlicher Familie zu tanzen. Professionellen Gesangsunterricht hat sie hingegen nie, auch Instrument spielt sie keines. Im Herbst 2009, als sie sich auf die Matura vorbereiten soll, bewirbt sie sich lieber, "um mal zu sehen, wie ich ankomme" , bei der von ARD und Pro7 ausgerufenen Casting-Show Unser Star für Oslo, den Vorentscheid zum Song Contest. Als sie ihn gewinnt, freut sie sich darüber mit einem erfrischenden "Verdammte Scheiße" .
Damit beginnt ihr Durchmarsch an die Spitze, wobei das neue Fräuleinwunder stets versichert, ihr mache das alles einfach Spaß. Homestorys lässt sie keine zu, Fragen nach ihrem Privatleben blockt die 19-Jährige mit dem Hinweis "Ich bin zum achten Mal zwangsverheiratet" ab.
Bloß, ganz so Kamera-unerfahren, wie sie zunächst glauben machen wollte, ist Meyer-Landrut nicht. Während der Lena-Hype immer größer wurde, kam heraus: Sie hatte schon ein paar Komparsenrollen im Privat-TV. Bei RTL war für ungefähr drei Millisekunden sogar ihr blanker Busen zu sehen. Das aber schockierte wirklich niemanden. (Birgit Baumann, DER STANDARD/Printausgabe, 31.05.2010)