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Adieu, Deutschland! Begleitet von seiner Frau, Eva-Luise Köhler, tritt der deutsche Bundespräsident zurück. Er sagt, es sei "eine Ehre" gewesen, Deutschland zu dienen.

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Köhler bei einem Besuch in Mazar-i-Sharif.

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Bundespräsident Köhler erklärt bei einer Pressekonferenz seinen Rücktritt.

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Berlin - Paukenschlag in der deutschen Politik: Der deutsche Bundespräsident Horst Köhler hat am Montagnachmittag völlig überraschend seinen Rücktritt erklärt. Hintergrund sind seine umstrittenen Äußerungen über den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan. Die Unterstellung, er habe einen grundgesetzwidrigen Einsatz zur Sicherung von deutschen Wirtschaftsinteressen befürwortet, entbehre jeder Rechtfertigung. Dies lasse "den notwendigen Respekt" vor dem Amt des Bundespräsidenten vermissen, so Köhler.

Es ist das erste Mal in Deutschland, dass ein Staatsoberhaupt so überraschend abtritt. Ein Nachfolger muss spätestens am 30. Juni gewählt werden. Bis dahin übernimmt der Präsident des Bundesrats, Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD), das Amt. In der SPD wurde als mögliche Nachfolgerin die Ex-Vorsitzende der Evangelischen Ratskirche, Margot Käßmann, ins Spiel gebracht.

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Es ist eine nahezu gespenstische Szene, die sich am frühen Nachmittag im Berliner Schloss Bellevue, dem Amtssitz des deutschen Bundespräsidenten, abspielt. Wortlos betritt Horst Köhler den Raum, an seiner Seite ist seine Frau Eva-Luise Köhler. Mit brüchiger Stimme verliest der Bundespräsident dann seine Rücktrittserklärung. Tenor seiner Worte: Es sei unerträglich, dass ihm unterstellt werde, er befürworte Auslands-Einsätze der Bundeswehr, die nicht vom Grundgesetz gedeckt seien - solche nämlich, die den wirtschaftlichen Interessen Deutschlands dienten.

"Diese Kritik entbehrt jeder Rechtfertigung. Sie lässt den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen. Ich erkläre hiermit meinen Rücktritt - mit sofortiger Wirkung. Es war mir eine Ehre, Deutschland als Bundespräsident zu dienen", sagt Köhler, dann geht er und verlässt Schloss Bellevue sofort mit unbekanntem Ziel. Es ist das erste Mal seit 1949, dass in Deutschland ein amtierender Bundespräsident völlig überraschend bereits vor dem Ende seiner Amtszeit aufgibt.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel weiß zu diesem Zeitpunkt schon Bescheid, ebenso der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP). Allerdings waren beide nur zwei Stunden vorher von Köhler informiert worden. Westerwelle sei "wie vom Donner getroffen gewesen", heißt es später in seiner Umgebung. Sowohl er als auch Merkel versuchten noch, Köhler in Telefonaten umzustimmen, allerdings vergeblich. "Ich glaube, es wäre gut gewesen, ihn umzustimmen", sagte Merkel danach und äußerte "hartes Bedauern" über seine Entscheidung. Sie meinte auch: "Ich glaube, dass die Menschen in Deutschland sehr traurig sein werden." Ihren für Montag geplanten Besuch der deutschen Nationalelf im Südtiroler WM-Trainingslager sagte die Kanzlerin kurzfristig ab.

Probe für Schwarz-Gelb

Merkel und Westerwelle hatten Köhler im Jahr 2004 quasi gemeinsam ins Amt gehievt. Seine Wahl durch eine schwarz-gelbe Mehrheit in der Bundesversammlung sollte der Probelauf für die Bundestagswahl 2005 werden. Doch der Plan ging nur zum Teil auf.

Zwar wurde der ehemalige Sparkassendirektor und Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) Köhler als erster Nicht-Politiker ins höchste deutsche Staatsamt gewählt. Doch mit der schwarz-gelben Regierungsübernahme klappte es nicht. Merkel konnte nach der Wahl 2005 nicht mit der FDP regieren, sondern musste, bis es so weit war, zunächst vier Jahre lang eine große Koalition aus Union und SPD anführen.

Köhler machte es keiner Regierung leicht - weder der rot-grünen, noch der schwarz-roten. Bei seinem Amtsantritt 2004 versprach er "unbequem" sein zu wollen und das hielt er zunächst ein. Mehrmals und sehr deutlich forderte er von der Regierung mehr Mut zu Reformen. Die internationalen Finanzmärkte geißelte er als "Monster". Mehrere Mal verweigerte er aus Sorge um die Verfassungsmäßigkeit Gesetzen seine Unterschrift.

Nach einigem Zögern entschloss er sich 2009, noch einmal für das höchste Amt zu kandidieren. Doch seine zweite Amtszeit stand unter keinem guten Stern. Köhler gelang es nicht, sich mit einem zentralen Thema zu positionieren, die Medien kritisierten seine Zurückhaltung. Zudem verließ, offenbar wegen des schwierigen Führungsstils, ein ranghoher Mitarbeiter nach dem anderen das deutsche Bundespräsidialamt.

Aus der SPD war zwar deutliche Kritik an Köhlers Äußerungen zu den Auslandseinsätzen laut geworden, über seinen Rücktritt jedoch sagt SPD-Chef Sigmar Gabriel: "Das ist kein guter Tag für die politische Kultur in Deutschland." (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD, Printausgabe, 1.6.2010)