Aus Anlass der burgenländischen Landtagswahl begab es sich, dass der ORF - modisch tadellos vertreten von Tarek Leitner - und der amtierende Landeshauptmann, ein beklommen dreinblickender Herr namens Niessl, sich miteinander verzankten. Die beiden Streithähne wider Willen kreuzten nicht etwa die Krallen, weil sie ihre Gefieder geplustert hätten. Sie schienen nur beide bis zum Hals im pannonischen Datenmeer versunken.
Früher einmal, als der Neusiedler See noch ein Ozean war, schöpfte man sein Wasser fingerhutweise. Heute, wo es allenthalben wie aus Kübeln gießt, gilt es, die Verdunstung von Wählerstimmen als glückliches, die Anrainer-Parteien durchaus ermutigendes Geschehen zu deuten. Wer wollte es dem amtierenden SPÖ-Landeshauptmann daher verdenken, dass er Leitners Fragen am letzten Mai-Sonntag, dem burgenländischen Schicksalsabend, kein rechtes Verständnis entgegenbringen mochte?
Seit sich beim ORF mit dem segensreichen Wirken Armin Wolfs die gezielte Hintansetzung lästiger Manieren eingebürgert hat, müssen sich auch Wahlsieger wie der Herr Niessl mit spontanen Umdeutungen ihrer Lebensleistungen herumschlagen. Herrn Niessl kamen, vor Auszählung der Briefwahlstimmen, ein paar wenige Prozentpunkte abhanden. Er steht somit vor der bangen Frage, ob er gleich - oder erst nach Absolvierung von ein paar einigenden Vorgesprächen wie gehabt zum Landesvater gekürt wird.
Herrn Leitners Fragen schienen indessen in ein politisches Grabmal hineingesprochen: Niessl hätte sich, dem Tone der Befragung nach, mindestens in ein aufgepflanztes Schwert zu stürzen gehabt. Was für eine Verschwendung! (Ronald Pohl, DER STANDARD; Printausgabe, 1.6.2010)