Ioan Buda, Direktor der rumänischen Grenzpolizei.

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Ein rumänischer und ein finnischer Grenzbeamter in Sculeni an der Grenze zwischen Rumänien und der Republik Moldau bei einer Frontex-Übung.

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Zehntausende Moldauer suchen schon jetzt erfolgreich um den rumänischen Pass an.

Der Prut ist eigentlich nicht grün. Manchmal im Sommer, wenn das Wasser nur 30 Zentimeter hoch ist, dann hat er gleich gar keine Farbe. Trotzdem nennt man den Grenzfluss zwischen Rumänien und Moldau eine "grüne Grenze" , wie der Generaldirektor der rumänischen Grenzpolizei Ioan Buda, ein freundlicher Herr, der vor seiner Sammlung von Ikonen und Heiligenbildchen in einem Armsessel Platz genommen hat, erklärt.

Herr Buda hat einen durchsichtigen Bic-Kugelschreiber in der Hand. "Da zwischen dem Holz und der Kohle in den Lastern" , sagt er und deutet auf den Teil des Kugelschreibers, in dem sich die Farbe befindet, "da drinnen schmuggeln sie die Zigaretten. Oder im Belüftungssystem. Oder sie warten auf eine Strömung des Prut und lassen die Packerln in den Fluss fallen und auf der anderen Seite werden sie herausgefischt. Sieben Monate im Jahr, wenn der Fluss seicht ist, können sie aber einfach durchwaten." Der Kugelschreiber wandert von seiner rechten in die linke Hand.

Herr Buda ist ein zufriedener Generaldirektor. Rumänien ist gerüstet, bald die inneren Schengenmauern abzubauen. Am 27. März 2011 soll nämlich die Außengrenze der Schengenwelt hierher an den Prut rücken. Für die Rumänen birgt dies allerdings ein Dilemma. Denn drüben über dem Fluss wohnen die "Brüder" , die Moldauer. Und die sind dann noch weiter draußen aus Europa.

Ist hier das Ende Europas? Angelia, 21 Jahre alt, Medizinstudentin lacht hell auf. "Hier ist vielleicht nicht das Zentrum. Aber Europa ist nicht einmal in der Ukraine zu Ende. Und Moldau gehört sicher dazu" , sagt sie. Deshalb sei es auch gut, dass in Rumänien Studienplätze für Moldauer reserviert sind.

Angelia sitzt am Platz der Einigkeit der Stadt Iasi, die nur wenige Kilometer von der Grenze entfernt liegt. Über dem Platz schweben weiße Blütenflocken. Zwischen kommunistischen Bürotürmen blitzen renovierte Cafés in Schönbrunn-Gelb.

Housemusic in Iasi

Radu liebt Iasi, weil es hier Housemusic-Partys auf dem Campus gibt. Radus Star ist die rumänische House-Musikerin Inna. Der 28-jährige Ingenieur erzählt, dass moldauische Studenten hier 50 Euro, eine Wohnung und Verpflegung vom rumänischen Staat bekommen. Etwa 6000 Moldauer studieren in Iasi. "Nach dem Schengenbeitritt wird es aber schwieriger für die Moldauer, ein Visum zu bekommen" , befürchtet Radu. "Die sind dann isoliert, wie wir alle früher im Sozialismus."

Seit dem EU-Beitritt 2007 werden Rumänen, die Waren im Wert von über 100.000 Lei (23.600 Euro) schmuggeln, strenger bestraft. Im Vorjahr wurden an der Grenze zu Rumänien 9,7 Kilo, ein Jahr zuvor noch 393,9 Kilo Drogen beschlagnahmt. 8,5 Millionen Packerln Zigaretten im Wert von 30,8 Millionen Lei (7,3 Mio. Euro) wurden 2009 an der Grenze konfisziert. Polizei und Justiz zeigen Härte vor dem Schengenbeitritt.

Der Zollchef von Iasi wurde erwischt, als er Schmuggler per Telefon den Grenzübertritt "erleichterte" . Auch der Menschenhandel ist zurückgegangen. 2009 wurden 59 illegale Prostituierte und 24 weitere illegale Grenzgänger festgehalten. Die grüne Grenze ist geradezu einschläfernd. Das aufregendste Ereignis in den letzten Tagen war, dass in Albitza ein Mann durch den Prut geschwommen war, auf der rumänischen Seite zwei Schafe stahl und samt den Schafen wieder zurückschwamm. "Die noch fehlende Ausrüstung für die Schengengrenze wird bis Jahresende vor Ort sein" , sagt Direktor Buda.

Auch Ioan will bald Schengenbürger werden. Der 23-jährige Moldauer lebt und studiert seit vier Jahren in Bukarest. Seit Moldau 2009 eine prorumänische Regierung bekam, können Moldauer, die nachweisen können, dass ihre Urgroßeltern oder Großeltern Rumänen waren – Moldau war in der Zwischenkriegszeit Teil von Rumänien – die rumänische Staatsbürgerschaft bekommen. "Bis 2007 hat es 25 Euro gekostet, jetzt kostet es nichts mehr" , erklärt Ioan.

Das neue Gesetz macht sich bemerkbar. 2009 wurden "nur" 3663 Moldauer zu Rumänen. Heuer wurden bereits 11.525 Anträge bewilligt. 16.185 Fälle sind anhängig. "Insgesamt erwarten wir in diesem Jahr 40.000 Einbürgerungen" , erklärt Gabriel Dinu vom Einbürgerungsamt in Bukarest. Voraussetzung sei, dass man seit acht Jahren in Rumänien lebt. Weshalb Ioan die Staatsbürgerschaft schon nach vier Jahren bekommt, kann Dinu nicht erklären. Viele Moldauer haben aber begriffen, wo die Grenze Europas für absehbare Zeit liegen wird und fliehen zu Zehntausenden ins EU-Nachbarland.

Seit zwei Monaten können Personen, die im Umkreis von 30 bis 50 Kilometern an der Staatsgrenze leben, zudem mit einer Grenzübertrittserlaubnis und ohne Visum nach Rumänien. Dort verkaufen sie Fleisch, Gemüse und Benzin oder besuchen ihre Verwandten. Auch die Rumänen wollen eine offene Grenze.

"Ich fühle mich in Moldau daheim, dort stehen auch Statuen von König Stefan dem Großen herum" , erklärt Luminitza. Wo das Ende Europas liegt? Die 37-jährige Iasierin denkt nach: "Auch Russland hat viele Ähnlichkeiten mit Europa. Meine russischen Kollegen sprechen gut Englisch. Das tun auch die Polen" , sagt die Chemikerin. Dann wird ihre Stimme etwas leiser: "Unter uns" , flüstert sie, "das Ende Europas liegt, glaube ich, in Frankreich. Die Franzosen sprechen ja kein Englisch. Die verweigern wirklich Europa." (Adelheid Wölfl aus Iasi/DER STANDARD, Printausgabe, 1.6.2010)