Bild nicht mehr verfügbar.

Weltweit protestierten am Dienstag Tausende gegen den israelischen Militäreinsatz gegen die Aktivisten.

Foto: REUTERS/Chip East

Bild nicht mehr verfügbar.

Wie etwa vor der israelischen Botschaft in Wien (li.) und in New York (Bild oben). Sie forderten ein Ende der Gaza-Blockade und Sanktionen gegen Israel.

Foto:APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER

Daraus wird nun nichts. Experten raten Obama zum Umdenken.

***

"Kiss and make up", hieß das Motto des Tages, küssen und Frieden schließen. Barack Obama wollte den roten Teppich ausrollen, unterm Porträt Abraham Lincolns im Oval Office angeregt plaudern mit Benjamin Netanjahu, demonstrativ Versöhnung signalisieren. Es ging um die Bilder. Sie sollten den Affront im März vergessen lassen.

Damals empfing der amerikanische Präsident den israelischen Regierungschef so eisig, wie man einen Paria empfängt, aber keinen Verbündeten. Keine Presse, kein Plausch vorm Kamin, kein Händedruck für die Fotografen. Am Dienstag wollte Obama das Kriegsbeil begraben, hinter den Kulissen sicher auch kritische Töne anschlagen, davor eher kooperative.

Daraus wurde nichts, weil Netanjahu seinen Nordamerikatrip schon in Kanada abbrechen musste. Der israelische Angriff auf einen Schiffskonvoi nach Gaza stempelte nicht nur die sorgfältig ausgetüftelten Reisepläne zu Makulatur, er warf auch die amerikanische Nahostdiplomatie empfindlich zurück.

Verhalten optimistisch

George Mitchell, der Sonderbeauftragte für die Krisenregion, müht sich ab, die vor kurzem aufgenommenen indirekten Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern in Schwung zu bringen. Neuerdings klingt der alte Hase verhalten optimistisch. Für Mittwoch hatte er sich auf einer Investorenkonferenz in Bethlehem angesagt, nicht nur, um über Investitionen zu reden, sondern vor allem über den Friedensprozess. Ob es dabei bleibt, steht in den Sternen. Karikaturisten zeichnen Mitchell mit erschrockener Miene auf einer Achterbahn - eine Metapher für den unendlich mühseligen Vermittlungsversuch.

Es ist fast auf den Tag genau ein Jahr her, da beschwor Obama in Kairo den historischen Ausgleich mit der islamischen Welt. Wie frustriert das Weiße Haus ist, weil konkrete Fortschritte ausbleiben, lässt sich an Kommentaren regierungsnaher Strategen ablesen. Die sitzen hinter keinem Kabinettsschreibtisch mehr und können offener reden als Sprecher der Administration, Fehler beim Namen nennen.

Der Zwischenfall im Mittelmeer füge dem Ansehen Israels schweren Schaden zu, betont Martin Indyk, Außenpolitik-Direktor der Brookings Institution, der führenden Denkfabrik der Demokraten. "Zugleich unterstreicht er, dass sich die Blockade des Gazastreifens nicht durchhalten lässt." So deutlich wie der Ex-Botschafter in Israel, ein enger Vertrauter des früheren US-Präsidenten Bill Clintons, will es das jetzige US-Staatsoberhaupt aus diplomatischer Rücksicht nicht sagen.

Robert Malley, Nahostexperte des Think-Tanks International Crisis Group, sieht die Verhandlungen in einer Sackgasse, solange sie den "riesigen Dorn" namens Gaza ausklammern. Auf lange Sicht müsse auch die Hamas in den Dialog einbezogen werden, kurzfristig jedoch nicht, denn dies würde die Fatah von Mahmud Abbas schwächen, jene Fraktion, die Israels Existenzrecht im Unterschied zu den radikalen Islamisten ausdrücklich anerkennt.

Indyk wiederum rät der Administration, schrittweise mit der Hamas ins Gespräch zu kommen, anfangs über praktische Alltagsfragen. Das State Department müsse an einem Deal für Gaza basteln, die Hamas auf Attacken gegen Israel verzichten - und Israel die Blockade aufheben. Eine Aufhebung forderten am Dienstag auch viele Politiker aus aller Welt, unter anderen gaben die EU und Russland entsprechende Erklärungen ab.

In der Realität angelangt

Aaron Miller, noch einer aus der Veteranenrunde von Clintons Nahostemissären, sieht Obama nach monatelangen Experimenten auf dem Boden der Realität angelangt. "Die Regel ist: Arabisch-israelischen Frieden bekommen Sie nicht, indem Sie einen Krieg mit dem israelischen Premierminister anzetteln." Frieden zu schließen sei auf Seiten Israels schon immer die Sache harter Burschen gewesen, so Miller, eine Sache der Falken: "Menachem Begin, Yitzhak Rabin, Ariel Sharon und - vielleicht - Benjamin Netanjahu". (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, Printausgabe, 2./3.6.2010)