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Arbeitsministerin Von der Leyen hat gute Aussichten auf den Job als Bundespräsidentin. Sie wäre die erste Frau in diesem Amt.

Foto: AP Photo/Gero Breloer, File

Berlin - Arbeitsministerin Ursula von der Leyen ist offenbar Favoritin für die Nachfolge des am Montag überraschend zurückgetretenen deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler. . "Es gibt eine sehr starke Präferenz für von der Leyen im Kanzleramt", verlautete am Dienstagabend nach einem Spitzentreffen der bürgerlichen Regierungsparteien in Berlin aus Koalitionskreisen. Das FDP-Präsidium beriet am Dienstag auf einer Sondersitzung bis spät in die Nacht. Die CSU will sich am heutigen Mittwoch verständigen. Am 30. Juni soll die Bundesversammlung über die Nachfolge entscheiden.

In der Bundesversammlung, die zum ausschließlichen Zwecke der Wahl des Staatsoberhaupt aus den 622 Bundestagsabgeordneten und ebenso vielen Delegierten der 16 Bundesländer gebildet wird, haben die Regierungsparteien CDU, CSU und FDP eine komfortable Mehrheit. Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel will sich aber um ein lagerübergreifendes Votum bei der Nachfolge Köhlers bemühen, der erst im vergangenen Mai für eine zweite Amtszeit gewählt worden war. Köhler war nach Kritik an seinen Äußerungen zu Auslandseinsätzen der deutschen Streitkräfte zurückgetreten, weil er dadurch das Ansehen des Präsidentenamtes beschädigt sah.

Kein eigener FDP-Kandidat

Die FDP will keinen eigenen Kandidaten ins Rennen schicken. "Wir werden uns verständigen, wer ein gemeinsamer Kandidat der Koalition sein kann", sagte die stellvertretende Parteivorsitzende Cornelia Pieper vor der mehrstündigen Sondersitzung der FDP-Spitze. Es komme dabei auch darauf an, dass die Opposition in die Zustimmung eingebunden werde.

Kanzlerin Merkel soll die 51-jährige von der Leyen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur bei einem Treffen mit dem FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle und CSU-Chef Horst Seehofer am Dienstagmorgen vorgeschlagen haben. In der engeren Auswahl ist auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU).

Nach dem überraschenden Rücktritt von Köhler könnte Merkel mit einer schnellen Einigung zumindest eines der gegenwärtigen vielen Konfliktfelder lösen. Zugleich könnte dies Luft schaffen für die Sondierungsgespräche von CDU und SPD in Nordrhein-Westfalen, wenn der bei der SPD umstrittene Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) neuer Arbeitsminister in der Bundesregierung würde. Rüttgers sagte jedoch am Dienstagabend in Düsseldorf zu den Gerüchten: "Mein Platz ist in Nordrhein-Westfalen." Bei der Landtagswahl am 9. Mai war die schwarz-gelbe Koalition unter Rüttgers klar abgewählt worden, die CDU verlor zehn Prozentpunkte und landete nur noch um wenige tausend Stimmen vor den Sozialdemokraten. Wegen des Mandatsgleichstands im Landtag erhebt nun auch die SPD Anspruch auf den Posten des Ministerpräsidenten.

Frau mit großem Durchsetzungsvermögen

Von der Leyen wird vor allem für ihre Familien- und Sozialpolitik über Parteigrenzen hinweg geschätzt und gilt als Frau mit großem Durchsetzungsvermögen, hieß es in Koalitionskreisen. Für Lammert spreche seine souveräne Amtsführung und parteiübergreifende Anerkennung als Bundestagspräsident.

Die Opposition fordert eine Persönlichkeit, der von allen unterstützt werden könnte. Köhler war am Montag nach sechs Jahren vom höchsten Amt des Staates zurückgetreten. Er gab seinen Entschluss in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz bekannt und verließ daraufhin den Amtssitz Schloss Bellevue.

Der Interims-Bundespräsident, Bundesratspräsident Jens Böhrnsen, bezeichnet den Rücktritt Köhlers als gravierendes Ereignis. Die Bürger würden seine Einschätzung nach mit Fassungslosigkeit und Unverständnis darauf reagieren, sagte der Bremer Bürgermeister (SPD) der "Bild"-Zeitung (Mittwoch). Böhrnsen sprach sich im "Hamburger Abendblatt" für einen Kandidaten "jenseits parteipolitischer Zuordnung" aus. Er räumte ein, selbst noch keine konkreten Vorstellungen über seine Amtsführung bis zum 30. Juni zu haben. Er werde "die Verantwortung, die mit dieser Stellvertretung verbunden ist, sehr ernst nehmen. Das Amt des Bundespräsidenten muss handlungsfähig bleiben."

Der frühere CSU-Vorsitzende Erwin Huber kritisierte den Abgang von Köhler scharf. "Der erste Mann im Staat sollte ein Vorbild sein, auch was Pflichterfüllung angeht", sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Mittwoch). "Durch seinen Schritt ist neben der wirtschaftlichen Krise auch noch eine krisenhafte Zuspitzung in der Politik eingetreten."(APA)