Albert Schmidleitner verzichtet auf Subventionen: "Ich will unabhängig von den Kulturbeamten werken können. Frei zu sein ist für mich Lebensqualität.

Zur Person:
  Albert Schmidleitner, geboren 1956 bei Schärding, ist seit 1993 Eigentümer des Kabaretts Simpl.

Foto: Mirjam Reither

Schmidleitner im Gespräch mit Thomas Trenkler.

Standard: Wolfgang Gratzl hatte sich mit dem monströsen Umbau des Vindobona übernommen: Sie erwarben das Kellertheater aus der Konkursmasse und investierten 1,9 Millionen Euro. Im Herbst 2009 wurde es wiedereröffnet. Was hat Sie an dem doch recht schwierigen Standort Wallensteinplatz gereizt?

Schmidleitner: Mir wurde das Vindo von der Gemeinde Wien über einen Mittler angeboten. Ich hab mir gedacht: "Ja, vielleicht wär das was, was ich machen könnte." In derselben Minute ist mir die Idee mit dem Kabarett für Hiesige und Zuagraaste gekommen. Was ich aber nicht bedacht hatte: dass die Hochblüte des Vindobona in den 90er-Jahren war, dass es dann vier Jahre tot war. Denn das Interesse der Medien war anfangs erstaunlich: Mir gehört immerhin das Simpl, das in zwei Jahren 100 Jahre alt wird, aber ich hab noch nie so viele Interviews gegeben.

Standard: Vielleicht, weil Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny Gratzl 1,35 Millionen Euro für den Umbau zugeschossen hatte?

Schmidleitner: Ja. Man dachte, man kann ihm ans Bein pinkeln. Dennoch: Die 1,35 Millionen sind im Vergleich zu dem, was das rote Wien in das Theater an der Wien buttert, lächerlich. Man sagt, dass es schwierig sei, die Schulen instand zu halten, und leistet sich um 22 Millionen Euro im Jahr einen solchen Opern-Luxus. Die Besucher sind nicht einmal die eigenen Leut'! Das ist für einen wie mich, der in den 1970er-Jahren bei der VSStÖ gegen die Hochkultur protestiert hat, unpackbar. Und wenn der Intendant sagt, er könne den Betrieb nicht aufrechterhalten, wenn die Festwochen sich nicht mehr einmieten: Das ist derart abgehoben - bist du deppert!

Standard: Sie starteten mit einem mutigen Projekt, der Grätzlsoap "Jägerstraße". Statt der geplanten sechs Folgen gab es aber nur vier.

Schmidleitner: 13.000 Besucher wären woanders ein Erfolg. Aber es stimmt: Wir waren mit der Auslastung nicht zufrieden. Jetzt weiß ich, dass das Vindo tot war. Und jetzt erfüllen wir es mit neuem Leben. Das dauert eben seine Zeit.

Standard: Warum hat das Konzept nicht funktioniert?

Schmidleitner: Diese Ausländerthematik ist viel heftiger als gedacht, da geht es wirklich um was. Die Jägerstraße war nicht einmal jenen, die links-liberal-grün angehaucht sind, recht. Die sagten, zugespitzt: "Warum stellst nicht den Werner Schneyder auf die Bühne, der sagt, dass Rassismus Scheiße ist? Aber dass wir uns jetzt einen Neger und eine Zigeunerin anschauen müssen ..." Und viele haben gesagt: "Es ist so viel Realität da drinnen, das seh ich eh jeden Tag, das muss ich mir nicht auch im Theater anschauen."

Standard: Wenn man derart brisante Themen wie Integration und Fremdenhass behandelt: Hofft man da nicht auf Förderung?

Schmidleitner: Nein. Ich will lieber unabhängig von den Kulturbeamten werken können. Das sind liebe Leut', ich hab auch mit dem Mailath kein Problem. Aber ich will schalten und walten können, wie ich will. Auch wenn es abgedroschen klingt: Auf Dauer kann man die Hand, die einen füttert, nicht beißen. Frei zu sein ist für mich Lebensqualität: Ich brauch nicht zittern, ob ich wieder die Subvention krieg, ich brauch mit den Beamten keine Ästhetik-Diskussionen führen, sondern setze das um, was mir Spaß macht.

Standard: Und daher gibt es ab 7. Juni "Hopp oder Tropp"?

Schmidleitner: Der Ausgangspunkt war, dass wir Nachwuchs suchen. Wir haben bis jetzt schon 150 oder 160 Anmeldungen - von Rappern bis zu Stand-ups, Bauchrednern und Zauberern. Es wird wie ein Vorsprechen sein, aber sehr abwechslungsreich und hoffentlich ein bisschen anarchistisch. Wir lassen wirklich jeden auf die Bühne, achten nur auf die Mischung: Es gibt jeden Tag je vier Vertreter der drei Bereiche Wort, Musik und diverse Unterhaltungskünste.

Standard: Der Eintritt kostet sieben Euro. Das Publikum ist die Jury?

Schmidleitner: Ja. Jeder hat maximal zehn Minuten, aber zumindest zwei. So lange muss man eine Darbietung ertragen. Davor sagt keiner: "Schleich dich!" Wir wollen das aber liebevoll machen. Zum Schluss dürfen alle noch einmal auf die Bühne, und erst danach entscheidet das Publikum, wer ins Finale im Herbst kommt. Auch wenn man sich natürlich über die freut, die scheitern: Wir hoffen schon, dass wir Künstler finden, die Potenzial haben. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.6.2010)